WildCast #42: Ich darf leben. Schuld und Befreiung nach dem Suizid von Klaus

WildCast #42: Ich darf leben. Schuld und Befreiung nach dem Suizid von Klaus

Inhaltsangabe

1 Wie du dich von übernommenen Schuldgefühlen befreist – und wieder in deine Kraft kommst

🔸 Schuldgefühle können lähmen. Besonders dann, wenn sie gar nicht aus deinem eigenen Leben stammen.

Die Folge 42 des WildCast ist die dritte und abschließende Folge in der ich mich damit auseinandersetzte, wie ich den Suizid meines Lebensgefährten verarbeitet habe und was du daraus für dich mitnehmen kannst. Der Fokus liegt dieses Mal auf den Umgang mit Schuldgefühlen, von denen fast alle heimgesucht werden, die einen geliebten Menschen verlieren.

Und ich beschäftige mich mit der Frage, wie du unterscheiden kannst, ob dein Schuldgefühl in diesem Zusammenhang wirklich dein Gefühl ist – oder ob es sich aus einer ganz anderen Quelle speist.

Achtung Spoiler: Häufig ist das tatsächlich der Fall. Häufig leiden wir unter Schuldgefühlen, die wir aus unserem Herkunftssystem übernehmen.

Und auch die Schuldgefühle, die mich nach dem Tod von Klaus umtrieben, hatten mit meinem eigenen Verhalten tatsächlich kaum etwas zu tun.

👉 Hör dir gleich die aktuelle Folge an.

Am Ende des Blogbeitrags findest du auch das komplette Transkript.


2 💔 Wenn Schuldgefühle bleiben – und keine Antwort haben

In den Wochen und Monaten nach dem Suizid meines Partners Klaus war da eben die immer gleichen Fragen, die mich innerlich zermürbten:

Hätte ich es verhindern können? Hätte ich es verhindern müssen?

Es waren keine Schuldgefühl, das laut in mir schrien – sondern welche, die still in mir nagten. Und je mehr ich versuchte, sie zu verstehen, desto klarer wurde: Diese Schuldgefühle war nicht nur mein eigenen Gefühle. Sie speisten sich aus Wurzeln die älter waren. Tiefer.


3 🧠 Unterschiedliche Kategorien von Schuldgefühlen

Schuldgefühlen kommen in zwei grundsätzlichen Kategorien: Als Primär- und als Fremdgefühle (ja, und auch als Sekundärgefühle, aber die sollen uns heute nicht interessieren).

Ein Schuldgefühl bezeichnen wir als Primärgefühl, wenn wir tatsächlich etwas falsch gemacht haben und uns deswegen schuldig fühlen. Ein typisches Beispiel ist, dass ein Paar sexuelle Treue vereinbart hat. Wenn dann einer der beiden fremdgeht, hat er typischer Weise ein Schuldgefühl.

Als Fremdgefühl bezeichnen wir ein Schuldgefühl typischer weise dann, wenn wir uns schuldig fühlen, uns aber gar nichts vorzuwerfen haben, was dieses Gefühl (in seiner Intensität) rechtfertigen würde. So sagte einmal ein Teilnehmer einer NLP-Ausbildung zu mir: „Ich habe noch nie etwas gemacht, was schlimmer war als Falschparken, aber ich fühle mich ständig schuldig.“

Denn manche Schuldgefühle stammen nicht aus unserem Leben – sondern aus dem Leben unserer Vorfahren. Aus Taten, über die niemand gesprochen hat. Aus dem Schweigen nach dem Krieg. Aus einem System, das Schuld nie verarbeitet, sondern weitergegeben hat. Wir sprechen dann auch von transgenerationaler Schuld.

Manchmal übernehmen wir Schuld sogar aus dem System unseres Lebenspartners – ohne es zu merken. Aus Loyalität. Aus Liebe. Aus Nähe.

Die Unterscheidung in Fremd- und Primärgefühle ist deswegen wichtig, weil sie nach einer anderen Art der Heilung, des Umgangs mit ihnen verlangen.


4 Primär- oder Fremdgefühl? Die 3-Kriterien-Formel

Damit du herausfinden kannst, ob dein Schuldgefühl deins ist oder übernommen aus deinem System, liefern dir die folgenden Fragen erste Hinweise:

  1. Gibt es einen konkreten Anlass für dein Schuldgefühl? hast du etwas falsch gemacht, was ein Schuldgefühl in dieser Intensität rechtfertigen würde?→ Primärgefühle haben eine klare Ursache. Fremdgefühle nicht.
  2. Wie dauerhaft ist das Schuldgefühl?→ Wenn es ein Primärgefühl ist, fließt das Schuldgefühl ab, sobald du die Verantwortung für dein Handeln übernimmst.→ Fremdgefühle dagegen bleiben – völlig unbeeindruckt von deinem Handeln.
  3. Wie reagiert dein Umfeld, wenn du über deine Schuldgefühle sprichst?→ Primärgefühle erzeugen Mitgefühl. du hörst dann häufig Sätze wie „Mensch, das kann ich verstehen, dass du dich mies fühlst. Das ist wirklich blöd gelaufen.“ oder auch „Da hast du wirklich Mist gebaut.“ → Fremdgefühle wirken dagegen auf andere oft unverständlich oder übertrieben. Eine typische Reaktion lautet hier „Mach dich doch nicht wegen einer Kleinigkeit so verrückt.“ oder auch „Aber dafür kannst du doch nichts.“

Wenn du immer wieder mit Schuldgefühlen zu kämpfen hast, nimm dir doch einen Stift und Zettel und notiere, welche Merkmale auf deine Schuldgefühle zutreffen. Die diesbezügliche Klarheit kann dir schnell Erleichterung bringen.


5 Zwei Wege – zwei Heilungen

Wenn du nun eine Idee hast, ob deine Schuldgefühle wirklich etwas mit deinem Handeln zu tun haben oder aus deinem Herkunftssystem übernommen sind (was tatsächlich viel häufiger der Fall sein wird), dann ist vorgezeichnet, wie du mit dem jeweiligen Gefühl arbeiten kannst, um es zu überwinden:

5.1 Wenn die Schuld deine eigene ist (Primärgefühl):

✅ Übernimm die Verantwortung für das, was du getan hast.

✅ Mache dir klar, gegen welche deiner eigenen Werte du durch dein Handeln verstoßen hast

✅ Entschuldige dich bei den Menschen, die du durch dein Handeln verletzt hast (inkl. dir selbst)

✅ Wenn du deine Lektion gelernt hast: Vergib dir selbst und schöpfe neues Vertrauen in dich.

5.2 Wenn die Schuld  nicht zu dir gehört (Fremdgefühl):

🔒 Innere Abgrenzung

🌀 Anerkennen des systemischen Ursprungs (z. B. transgenerationale Schuld)

🎗 Symbolische Rückgabe der Schuld – in Respekt und Klarheit


6 🧭 Was du tun kannst – 5 Schritte für deinen Weg

1. Anerkennen, was ist.

Der erste Schritt beginnt nicht im Kopf, sondern im Körper. Spür hin. Vielleicht ist da ein Druck in der Brust. Vielleicht ein Kloß im Hals. Oder einfach eine bleierne Schwere. Sag innerlich: „Ja, ich spüre Schuldgefühl – und ich höre ihm zu.“

Auch wenn du noch nicht weißt, woher es kommt. Auch wenn es irrational wirkt. Gefühle wollen nicht analysiert, sondern wahrgenommen werden. Anerkennen heißt: Du hörst auf, dagegen anzukämpfen. Und schaffst damit die Voraussetzung für Veränderung.

2. Klären, was wirklich deins ist.

Ist es ein Schuldgefühl, das aus deinem eigenen Handeln resultiert? Oder trägst du etwas, das jemand anderem gehört?

Unser Unbewusstes ist ein präziser Kompass. Wenn du genau hinspürst, wirst du es merken: Primärgefühle fühlen sich konkret und beweglich an – du kannst etwas tun. Fremdgefühle hingegen sind diffus, schwer, hartnäckig – sie verändern sich nicht, egal was du versuchst.

Diese Unterscheidung ist zentral. Denn sie entscheidet darüber, welchen Weg der Heilung du gehen musst.

3. Verantwortung übernehmen – wenn es dein Anteil war.

Vielleicht gab es Worte, die du bereust. Entscheidungen, die du heute anders treffen würdest. Dann geht es nicht darum, dich zu verurteilen – sondern darum, Verantwortung für deinen Anteil zu übernehmen.

Verantwortung zu übernehmen heißt: Du nimmst dich selbst ernst. Du lernst. Du wächst. Und du gibst dir die Erlaubnis, dir zu vergeben.

Vergebung ist kein „alles war gut“ – sondern ein „ich übernehme die Verantwortung, und ich lasse los, was mich bindet.“

4. Fremde Schuld zurückgeben.

Wenn das Gefühl nicht zu dir gehört, ist es Zeit, es loszulassen. Nicht aus Kälte – sondern aus Liebe. Liebe zu dir. Und Respekt vor dem, dem diese Schuld wirklich gehört.

Du musst nichts anklagen, nichts bewerten. Du darfst sagen: „Diese Schuld ist nicht mein meine. Ich gebe sie zurück – dorthin, wo sie ihren Ursprung hat.“

In Familienaufstellungen oder in inneren Bildern kannst du diesen Prozess sichtbar und spürbar machen. Und dein System versteht: Die Ordnung wird wiederhergestellt.

5. Die Verbindung zum Leben erneuern.

Wenn Schuld sich löst, entsteht Raum. Raum für Lebendigkeit. Für Leichtigkeit. Für Verbundenheit – mit dir selbst, mit anderen, mit dem, was größer ist als du.

Dieser letzte Schritt ist ein leiser, aber kraftvoller: Du wählst das Leben. Du wählst Nähe. Und du wählst dich.


7 🌬️ Kleine Atempause

Vielleicht magst du jetzt kurz innehalten. Spür deine Füße auf dem Boden. Atme tief ein … und aus. Und wenn du spürst, dass da ein kleiner Impuls auftaucht – ein Ja zu dir, zum Leben, zur Rückverbindung – dann lass ihn da sein. Ganz still. Ganz zart.

Und wenn du merkst, dass du dieses Thema nicht alleine tragen willst:

Ich bin da. Von Herzen gern. In einem 1:1-Coaching. In einer Familienaufstellung.


8 💡 Häufige Fragen (FAQ)

Was ist ein Fremdgefühl im Coaching-Kontext?

Ein Gefühl, das nicht durch dein eigenes Erleben entstanden ist, sondern aus einem anderen System übernommen wurde – z. B. aus deiner Familie oder dem System deines Partners.

Wie erkenne ich, ob ein Schuldgefühl systemisch ist?

Typisch ist, dass es keinen konkreten Auslöser gibt, es dauerhaft bleibt und dein Umfeld nicht versteht, warum du dich so fühlst. Und dass du oft sogar selbst weißt, dass es eigentlich keinen Sinn ergibt, dass du dich so fühlst.

Wie kann ich systemische Schuld zurückgeben?

Durch Coaching, Aufstellungen oder Rituale wie symbolisches Zurückgeben auf der Timeline – liebevoll und klar.

Kann ich auch selbst an mir arbeiten, wenn ich das Gefühl habe, Schuld übernommen zu haben?

Ja – wenn du einmal gelernt hast, wie es geht, kannst du dich auch selbst unterstützen. Doch gerade am Anfang deines Weges macht es Sinn dich – z. B. im Rahmen einer Familienaufstellung für Glück & Erfolg oder eines 1:1-Coachings – begleiten zu lassen.


9 Dein nächster Schritt

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🔸 Hör‘ dir jetzt die aktuelle Folge an.

Herzlichst
Susanne (Lapp)
NLP-Expertin, Familienaufstellerin, Lehrtrainerin, Lehrcoach


10 Transkript der Folge 42

Podcast 42: Ich darf leben. Schuld und Befreiung nach dem Suizid von Klaus

Intro: Herzlich Willkommen

Herzlich willkommen beim WildCast – dem Coaching-Podcast für alle, die mehr wollen als nur Erkenntnis – nämlich echte Veränderung

Persönlichkeitsentwicklung, NLP und systemisches Coaching sind Themen, die dich interessieren? Dann bist du hier genau richtig!

Ich bin deine Gastgeberin Susanne Lapp, die Gründerin von WildWechsel – dem NLP-Institut für Persönlichkeitsentwicklung. Gemeinsam mit meinem Team biete ich systemische NLP- und Coaching-Ausbildungen, Familienaufstellungen & Coaching. Und mit über 500 Coaching-Stunden im Jahr gehöre ich seit Jahren zu den meistgebuchten Coaches des Landes.

Egal, ob du selbst mitten in einer Veränderung steckst oder als Coach, Führungskraft andere unterstützen willst – hier erfährst du, wie du mit den richtigen Werkzeugen tiefe Transformation bewirkst.

Und heute kommt die 3. Folge meiner Selbst-Coaching-Triade anlässlich des WildCast-Relaunch. Erstmal vielen Dank an jede und jeden von euch, der sich bei mir gemeldet hat. Es war so schön zu hören, dass viele von euch sich noch sehr gerne an Klaus erinnern. Und dass Ihr die neuen Folgen des WildCast als wertvoll und bereichernd erlebt. Das hat mich wirklich richtig wirklich mega echt gefreut.

Heute wird es also um ein Thema gehen, das vermutlich viele von euch in der ein oder anderen Form ebenfalls kennen – vielleicht ja auch du selbst. Aber kaum jemand spricht es an:

Nämlich Schuldgefühle. Schuldgefühle, weil man etwas gemacht hat, was man besser nicht gemacht hätte. Oder weil man etwas unterlassen hat, was man wohl besser gemacht hätte. Oder Schuldgefühle von denen man weiß, dass sie eigentlich keinen Sinn machen, die aber trotzdem da sind. Und dazu gehören auch die Schuldgefühle nach dem Tod eines geliebten Menschen. Genaugenommen nach dem Suizid eines geliebten Menschen.

Teil 1: Es gab diesen Moment

Wenn du die letzten zwei Folgen des WildCast gehört hast, weißt du, dass es einen Moment gab in meinem Leben, an dem sich etwas für immer verändert hat. Nicht äußerlich sofort sichtbar. Aber innerlich hat sich ein Riss aufgetan. Ein Riss, der durch mein Herz ging. Durch mein Selbstbild. Durch mein Leben.

Klaus – mein ehemaliger Lebensgefährte, mein Partner, Mitgründer unseres Instituts – hat sich das Leben genommen.

Und ich war nicht nur fassungslos. Angstvoll, wie es weiter gehen könnte. Ich war wütend. Ich war verletzt. Ich war traurig. Und immer wieder hatte ich auch Schuldgefühle. Alles auf einmal und richtig durcheinander.

Wenn wir über Schuldgefühle sprechen, dann sprechen wir nicht nur über das, was wir getan oder unterlassen haben. Wir sprechen – zumindest unbewusst – auch über das, was in unserem Körper passiert

Biologisch gesehen ist Schuld ein Stresszustand. Unser Nervensystem geht in Alarm. Cortisol und Adrenalin werden ausgeschüttet. Die Amygdala feuert.

Meist geht es dabei gar nicht um eine echte „Tat“. Nicht darum, was wir wirklich getan oder unterlassen haben. Sondern um unsere innere Bewertung. Um die Frage: Was hätte ich tun oder lassen sollen?

In meinem Fall – ich fragte mich in den Monaten und Jahren nach dem Suizid von Klaus oft: Hätte ich es verhindern können? Hätte ich es irgendwie verhindern müssen? Bevor wir uns ganz konkret mit den Antworten auf diese Fragen beschäftigen, lass uns ein wenig tiefer eintauchen in das Wesen von Gefühlen im Allgemeinen und das Wesen der Schuld im Besonderen.

Gefühle – was sie uns sagen wollen

Wenn du die letzte Folgen vom WildCast gehört hast, dann weißt du ja: Gefühle sind keine Störenfriede. Sie sind keine Fehlermeldungen – sie sind Botschafter deiner Seele.

Jedes Gefühl bringt eine Nachricht mit, eine kleine Postkarte aus deinem Inneren: Hey, da stimmt was nicht. Schau mal hin.

Angst meldet sich, wenn dein Bedürfnis nach Sicherheit verletzt ist.

Wut zeigt auf: Hier hat jemand deine Grenze übertreten.

Traurigkeit sagt: Du hast etwas oder jemanden verloren, der dir wichtig war.

Und Freude? Die hüpft rein, wenn alles im Lot ist – wenn deine Bedürfnisse mehr erfüllt sind, als du erwartet hast.

Wenn du die Folge 41 noch nicht gehört hast, dann drück gern auf Pause, hör sie dir doch jetzt an – und komm dann zurück.

Heute geht es um Schuldgefühle

Heute geht es um Schuldgefühle und wie du wieder Frieden mit dir selbst schließen kannst. Schuldgefühle können nochmal eine ganz andere emotionale Wucht entfalten.

Eine andere Wucht deshalb, weil Schuldgefühle soziale Gefühle sind. Sie tauchen nicht einfach auf, weil dein Bedürfnis nach Schlaf oder Schokolade nicht erfüllt ist. Sondern weil etwas in deinen Beziehungen aus dem Gleichgewicht geraten ist. Genau genommen: Du hast dich nicht entsprechend deinen eigenen Werten verhalten.

Die Aufgabe von Schuld ist es dann tatsächlich, dich genau darauf hinzuweisen: Gemessen an deinen eigenen Werten hast du etwas falsch gemacht. Und das vermeintlich falsche ist geeignet, die Beziehungen zu anderen Menschen zu belasten.

Und die Absicht des Schuldgefühls besteht jetzt nicht darin, dich fertig zu machen. Sondern es will, dass du die Verantwortung übernimmst und so die durch dein Handeln – tatsächlich oder vermeintlich – belastete Beziehung zu anderen wieder heilst.

Und jedes Mal, wenn du so Verantwortung für dein Tun übernimmst, wächst du, wächst deine Seele ein klein wenig mehr. Wirst du innerlich etwas größer.

Ein Beispiel für ein Schuldgefühl: Die Reisebuchung

Ich will dir ein Beispiel geben: Stell dir vor, du hast deinem Partner versprochen, heute diese eine Reise zu buchen, die es nur heute zum Schnäppchenpreis gibt.

Doch dann kommt dir das Leben dazwischen. Zehn offene Tabs im Browser. Dreizehn To-dos. Der Hund bellt. Und am Abend fällt es dir siedend heiß ein, dass du ja noch die Reise buchen wolltest – aber das Angebot ist weg. Mist.

Du spürst dieses Ziehen im Bauch. Oder diese Last auf den Schultern. Du sagst dir: Mist. Das hab ich versemmelt. Vielleicht wirst du knallrot oder dir wird siedend heiß. Das bedeutet: Du erlebst gerade ein Schuldgefühl. Du hast ein schlechtes Gewissen.

Und es kommt nicht, um dich zu bestrafen – sondern um dich daran zu erinnern, dich zu entschuldigen. Zu sagen: Sorry, mein Fehler. Natürlich übernehme ich die Differenz im Reisepreis.

Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun

Und wenn du ganz aufrichtig sagst: Ja, das war mein Fehler. Es tut mir leid. Dann … fühlt sich das oft überraschend gut an, oder?

Warum ist das so? Weil in dem Moment etwas in dir wieder ganz wird. Du übernimmst Verantwortung für das, was du getan hast. Dadurch zeigst du dich dem anderen gegenüber verletzlich. Und das kann Angst machen.

Doch oft entsteht dann etwas Unerwartetes: Plötzlich entsteht Verbindung. Ein Moment der Verbindung zwischen dir und dem Anderen. Das Schuldgefühl wandelt sich in Verbindung und hat damit genau das erreicht, was es wollte: Die Beziehung heilen, weil wir Menschen nun mal soziale Wesen sind. Und wenn das Schuldgefühl dieses Ziel erreicht hat, dann was? Genau – dann verschwindet es.

Verweigerung der Verantwortungsübernahme

Im Gegensatz dazu – und auch das kennst du bestimmt – fühlt es sich mies an, wenn wir versuchen, uns rauszuwinden. Wenn wir sagen:

„Ja also, ich war einfach so gestresst … und du hast auch nicht so deutlich gesagt, dass das wirklich wichtig ist … und überhaupt: Es ist Vollmond und ich hatte eine schwierige Kindheit.“

Dann weiß ein Teil in uns: Nee. Das ist jetzt nicht sauber. Irgendwie versuche ich geade, mich um die Verantwortung rumzumogeln. Und das nagt. Nicht, weil jemand mit dem Finger auf uns zeigt. Nicht weil jemand uns verurteilt, sondern weil wir selbst merken: Hier stimmt was nicht. Hier fehlt Verantwortung. Da fehlt ein ehrliches Ja zu dem, was wir gemacht haben. Ein ehrliches Ja zum eigenen Tun.

Und genau hier beginnt der Selbstverrat. Denn tief drin wissen wir immer, wenn wir Mist gebaut haben. Wenn wir in diesem Moment nicht dazu stehen, wenn wir uns rauswinden wollen, dann trampeln wir – bildlich gesprochen – auf unseren eigenen Werten rum. Und das tut weh. Weil wir dann nicht nur jemand anderen verletzen, sondern uns selbst entwerten.

Unser Selbstbild bekommt Risse. Der Selbstwert sackt ab – nicht nur, weil wir Mist gebaut haben, sondern vor allem wir nicht dazu stehen.

Es ist, als würden wir in den Spiegel schauen – und unser Spiegelbild wüsste: Du bist nicht ehrlich. Du weißt es besser – aber du tust so, als wüsstest du’s nicht.

Und dann haben wir nicht nur ein schlechtes Gewissen, sondern auch noch ein niedriges Selbstwertgefühl. Und dieses Gefühl belastet unsere Beziehungen, unsere Entscheidungen, unsere Selbstachtung.

Aber – und das ist die gute Nachricht – der Schlüssel liegt immer noch da, wo er am Anfang lag. In der Übernahme von Verantwortung.

Denn wenn wir uns aufrichten, unsere Werte wieder ernst nehmen, zu unseren Fehlern stehen – dann werden wir wieder ganz. Dann werden wir wieder wir selbst.

Das, was ich hier gerade gesagt habe, gilt aber nur für eine ganz besondere Kategorie von Schuld, für Schuld als Primärgefühl. Schuld als Fremdgefühl ist aber tatsächlich viel häufiger.

Wie unterscheiden sich Primär- von Fremdgefühlen? Das ist tatsächlich eine der wichtigsten Unterscheidungen, die du kennen musst, wenn du erfolgreich coachen willst. Wir werden noch häufig darauf zurückkommen.

Schuld als Primär- und als Fremdgefühl

Also lass uns über die zwei unterschiedlichen Kategorien von Gefühlen sprechen: Primär- und Fremdgefühle. Und warum es so wichtig ist, den Unterschied zu kennen. Kurze Antwort vorab: Weil du im Coaching – oder auch im Selbst-Coaching – mit Primärgefühlen ganz anders arbeiten musst als mit Fremdgefühlen.

Nur der Vollständigkeit halber: Es gibt auch noch die Sekundärgefühle, aber die sollen uns heute nicht interessieren.

Schuld als Primärgefühl

Schuld kann auf sehr zweierlei Weise entstehen:

Erste Möglichkeit: Du baust wirklich Mist, so wie eben in unserem Beispiel mit der Reisebuchung. Dann sprechen wir von Schuldgefühlen als Primärgefühlen. Das bedeutet: Dieses Schuldgefühl hat wirklich etwas mit deinem Verhalten im Hier und Jetzt zu tun. Es gehört ins Hier und Jetzt. Schuldgefühle als Primärgefühle sind gesund. Sie fungieren als Kompass. Sie wollen dich in Verbindung bringen – mit deinen Werten, deinen Beziehungen, deinem besten Selbst.

Zweite Möglichkeit: Du machst eigentlich gar nichts falsch, fühlst dich aber trotzdem ständig schuldig. So kommen Klienten zu mir ins Coaching und sagen: „Susanne, ich bin morgens noch nicht richtig wach, da habe ich schon das erste Schuldgefühl.“ Das ist dann die andere Kategorie von Schuld, Schuld als Fremdgefühl. Und die ist tückischer. Weil sie sich genauso anfühlt wie Schuld als Primärgefühl – aber gar nichts mit deinem tatsächlichen Verhalten zu tun hat. Und deswegen kann sie einen kirre machen. Weil man ständig versucht, irgendetwas zu verändern, um sich nicht mehr schuldig zu fühlen, aber es irgendwie genauso ständig nicht gelingt. Kennste? Eben.

Schuld als Fremdgefühl

Wo kommen sie also her, diese Fremdgefühle, wenn nicht aus unserer eigenen Biografie? Antwort: Meistens haben wir sie aus unserem Familiensystem übernommen. Manchmal sogar aus dem System eines Menschen, den wir lieben.

Ich geb dir ein Beispiel. Ein Mensch kommt ins Coaching und sagt: „Susanne, ich fühl mich ständig schuldig. Ich hab noch nie was gemacht, was schlimmer ist als Falschparken – und hab trotzdem immer Schuldgefühle.“

Das ist der Moment, in dem ich hellhörig werde. Denn wenn Schuld nicht zur Situation passt, wenn sie viel zu groß gemessen am Auslöser, wenn sie chronisch geworden ist, dann ist das regelmäßig ein Hinweis auf Schuld als Fremdgefühl. Also eine übernommene Schuld.

Im Coaching schauen wir dann: Woher könnte diese fremde Schuld kommen? Und manchmal, nicht selten, entdecken wir: Da war ein Großvater oder Ur-Großvater im Krieg. Hat vielleicht etwas getan, was unaussprechlich war. Und niemand hat darüber gesprochen. Niemand hat Verantwortung übernommen. Aber alle haben gespürt hier stimmt etwas nicht – und alle haben geschwiegen.

Und so wurde die Schuld nicht integriert – sondern weitergegeben durch die Generationen. Wie eine heiße Kartoffel. Wie ein stilles, giftiges Erbe. Und irgendwann landet sie bei jemandem, der einfach nur morgens aufsteht – und sich beständig schuldig fühlt, ohne zu wissen, warum.

Auch wenn es zunächst esoterisch klingen mag, ist die Vorstellung, dass Schuld über Generationen weitergegeben wird, mittlerweile gut durch wissenschaftliche Studien belegt. Insbesondere die Nachkommen von NS-Tätern tragen oft eine schwere psychische Last. Unverarbeitete Schuldgefühle, familiäres Schweigen und die fehlende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit können zu tiefgreifenden seelischen Belastungen führen.

Studien zeigen, dass viele dieser Nachkommen unter Depressionen, Angststörungen und einem diffusen Schuldempfinden leiden, ohne genau zu wissen, woher diese Gefühle stammen. In einigen Fällen wurde sogar eine erhöhte Suizidrate festgestellt.

Diese transgenerationale Weitergabe von Schuld und Trauma ist kein Mythos, sondern ein gut dokumentiertes Phänomen. Sie zeigt sich nicht nur in psychischen Erkrankungen, sondern auch in körperlichen Symptomen und Verhaltensmustern, die über Generationen hinweg bestehen bleiben. Das Schweigen der Tätergeneration und das Verdrängen der Vergangenheit haben tiefe Spuren in den Familien hinterlassen. Im Elie Wiesel Center for Jewish Studies in Boston sind in der Zwischenzeit zahlreiche Studien zu diesem Thema zusammengetragen.

Und so leiden eben viele von uns – 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs – unter diesen Folgen – oft, ohne dass es uns bewusst ist.

Schuld als Fremdgefühl hat also mit der eigenen Biografie gar nichts zu tun. Sondern ist Ausdruck einer systemischen Verstrickung. Wir tragen also etwas, das eigentlich jemand anderem gehört. Deswegen lässt sich Schuld als Fremdgefühl auch eben nicht durch ein konkretes Handeln im Hier und Jetzt überwinden – bei wem willst du dich denn entschuldigen, wenn du morgens vor dem Frühstück aus dem Nichts das erste Schuldgefühl hast? Eben.

Wie man mit Schuldgefühlen als Fremdgefühlen arbeitet, erzähle ich dir gleich. Vorher lass uns kurz darüber reden, dass Fremdgefühle nicht nur aus unserem eigenen Herkunftssystem stammen können.

Die Familie des Partners als Ursache für das Fremdgefühl

Denn manchmal ist es nicht mal die eigene Familie, aus der das Schuldgefühl stammt. Es ist nur wenig bekannt, aber manchmal übernehmen wir Schuld auch aus dem System unserer Lebensgefährten oder Ehepartner. Wenn wir – wie ich bei Klaus – tief mit jemandem verbunden sind, der selbst Schuldgefühle aus seinem Herkunftssystem mit sich herumträgt, aber sie nie aussprechen konnte.

Herkunft des Schuldgefühls entscheidet über die Art des Selbst-Coachings

Die Frage, ob ein Schuldgefühl ein Primär- oder ein Fremdgefühl ist, ist deshalb so wichtig, weil man im Coaching mit ihnen ganz unterschiedlich arbeiten muss. Denn je nachdem, woher dieses Gefühl kommt, braucht es auch einen ganz unterschiedlichen Weg der Heilung.

Behandelt man ein Primärgefühl wie ein Fremdgefühl, tut sich nichts. Und umgekehrt.

Aber wie erkenne ich nun, ob Schuldgefühle Primär- oder Fremdgefühle sind? Drei Kriterien können dir helfen, Klarheit zu gewinnen:

  1. Gibt es einen konkreten Anlass?

Ein echtes Schuldgefühl – also ein sogenanntes Primärgefühl – entsteht aus einem konkreten Handeln. Du hast etwas getan oder unterlassen, und dein inneres System meldet sich: „Hey, das war nicht in Ordnung.“ Die Größe des Gefühls passt zum Anlass. Stell dir vor: du hast versprochen, Kekse zu kaufen. Du hast es dann aber vergessen zu tun. Du bist einen Moment zerknirscht und versprichst, es am nächsten Tag nachzuholen. Das machst du dann auch und alles ist gut. Da passt Affekt zur Handlung. Also Primärgefühl.

Wenn du dagegen vergessen hast, Kekse zu kaufen, dies dann am nächsten Tag nachholst und dich trotzdem noch tagelang für dein Versehen geißelst, dann passt was nicht zusammen.

Also Hinweis auf Fremdgefühl.

  1. Wie dauerhaft ist das Gefühl?

Primärgefühle wollen fließen. Wenn du ihren Auftrag erkennst, Verantwortung übernimmst und die Situation reflektierst, dann verschwinden sie wieder.

Fremdgefühle dagegen bleiben. Unbeeindruckt davon, was du tust oder lässt. Als würden sie gar nicht zu deinem inneren System gehören – denn genau das tun sie ja auch nicht.

  1. Wie reagiert dein Umfeld?

Wenn du ein nachvollziehbares Schuldgefühl teilst, reagieren andere meist mit Mitgefühl. Sie schwingen mit dir mit, können sich einfühlen. Also: Primärgefühle lassen uns in Resonanz gehen.

Fremdgefühle dagegen machen ratlos. Dein Gegenüber versteht nicht, warum dich das so sehr belastet. Es wirkt aus der Zeit gefallen. Und genau das ist es ja auch. Ein Gefühl, das nicht im Hier und Jetzt entstanden ist – sondern viel früher, vielleicht sogar in einer anderen Generation.

Wenn du jetzt denkst: „Woher soll ich denn wissen, ob das Gefühl zu mir gehört oder nicht?“ – dann bist du nicht allein. So geht es vielen meiner Klient*innen.

Und dennoch passiert in Coachings oft etwas Berührendes: Wenn sie sich dieser Frage wirklich stellen, kommt die Antwort oft intuitiv. Ein inneres Wissen, das plötzlich auftaucht. Ein Bild. Ein Satz. Ein tiefes intuitives Wissen: Das ist nicht meins.

Diese Unterscheidung ist der Schlüssel. Denn nur wenn du erkennst, woher dein Gefühl stammt, kannst du auch den passenden Weg der Transformation wählen.

🔹 Wenn es dein eigenes Gefühl ist, also ein Primärgefühl: Dann darfst du Klarheit finden. Deinen eigenen Anteil erkennen. Verantwortung übernehmen – soweit es dir entspricht. Und dich dann wieder verbinden: mit deinen Werten, deinem Selbst, den Menschen, die dir wirklich wichtig sind und dem großen Ganzen.

🔹 Wenn es ein übernommenes Gefühl ist, ein sogenanntes Fremdgefühl: Dann brauchst du etwas anderes. Du darfst anerkennen: Ich selbst habe gar keine Schuld auf mich geladen. Du darfst dich abgrenzen. Vielleicht trotzdem das Leid sehen, das geschehen ist – aber ohne es weiter auf deinen Schultern zu tragen. Und dann – symbolisch – die Schuld dorthin zurückgeben, wo sie hingehört. Zu der Person, von der sie stammt. Oder ins System, das sie nicht aufgelöst hat.

Hier vielleicht ein, zwei Beispiele einfügen.

Wenn du diesen Unterschied für dich erkennst, wird dein innerer Weg klarer. Und du musst Schuld nicht länger mit dir herumtragen, die nie zu dir gehört hat.

Zurück dem Suizid von Klaus und meinem Schuldgefühl

Was bedeutet diese Unterscheidung nach Primär- und Fremdgefühl nun für den Umgang mit meinen Schuldgefühlen nach dem Suizid von Klaus? In den letzten Wochen vor seinem Tod hatte ich schon gespürt, dass etwas kippt. Dass Klaus wieder abrutscht. Seine Depression kam zurück. Und wer sich ein bisschen auskennt, weiß: Depression ist nicht einfach nur Traurigkeit. Depression ist – auf eine Weise – eine Wutablenkungsstörung

Wut, die eigentlich raus will, raus müsste – nach außen, dorthin, wo sie vielleicht auch hingehört – bleibt stecken. Wird nicht gezeigt. Wird nicht erlaubt. Und wenn Wut nicht nach außen darf, dann kehrt sie sich nach innen.

Und bei depressiven Menschen bedeutet „nach innen“ oft: gegen sich selbst. Gegen das eigene Leben. Gegen das eigene Dasein.

Aber – und das ist wichtig zu verstehen – „nach innen“ heißt eben auch: gegen den Menschen, der am nächsten steht. Denn der Partner, die Partnerin – wird im psychischen Erleben oft Teil des eigenen Innenraums. Und damit wird die Wut, die eigentlich in die Welt gehört hätte, beim Partner abgeladen.

Und ich hab diese Wut abbekommen. Nicht laut. Sondern leise. Passiv-aggressiv. Kleinigkeiten, um die ich ihn tausend Mal bat und die er genauso oft „vergaß“. Kleine Grenzüberschreitungen, Provokationen, Respektlosigkeiten. Nicht durchgehend. Immer wieder gab es auch Momente großer Nähe und Zärtlichkeit. Aber doch so, dass es mich zermürbt hat.

Natürlich weiß ich, dass Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oft sehr gefordert sind. Dass man sich als Angehöriger eines psychisch kranken Menschen Hilfe holen sollte. Dass man Grenzen setzen sollte. Dass man in solchen Situationen auch auf sich achten muss. Klingt super. Steht in jeder Hochglanzbroschüre.

Aber in echt … war das ein Tsunami. Corona tobte. Das Institut war zu. Die Finanzierung war unklar. Ich hatte selbst vor nicht allzu langer Zeit meine eigene Krebserkrankung überstanden.

Und Klaus – mein Mitarbeiter, mein Partner, meine Liebe – rutschte ab in diese Depression. Und war für Gespräche nicht mehr erreichbar. Und ich stand da – zwischen Sorge, Ohnmacht, Verantwortung, und dem schlichten Gefühl: Ich kann nicht mehr.

Ich machte in diesen Wochen tausend Dinge. Mich um ihn kümmern. Mich um das Institut und das neue Online-Geschäftsmodell kümmern. Neue Seminare entwickeln. Besorgte Teilnehmer beruhigen.

Ich hab mich bemüht. So gut ich konnte. War das immer genug? Im Nachhinein wusste ich tausend Dinge, die ich anders gemacht hätte, hätte anders machen sollen, hätte anders machen können …

Aber mehr ging einfach nicht.

Und dieser kurze Satz klingt so einfach und so unspektakulär, doch ich habe Jahre gebraucht, um ihn mir zuzugestehen.

Und vielleicht hilft dir das ja, wenn du gerade an einem ähnlichen Punkt bist und haderst:

Dir selbst einzugestehen: Mehr ging einfach nicht. Nicht, weil wir uns nicht wirklich bemüht haben. Sondern weil für mehr die Kraft / die Erfahrung / die göttliche Unterstützung – setze hier ein, was in deinem Modell der Welt am besten passt – nicht reichte.

Und dafür übernehme ich die Verantwortung. Ja, ich hätte vieles anders machen können. Im Nachhinein. Aber hätte ich es gekonnt, hätte ich es gemacht. Dieser Teil des Schuldempfindens war ein wirklich echtes Primärgefühl. Es hatte mit meinem Handeln – oder vielleicht auch mit meinem Nicht-Handeln – zu tun. Doch in dem Moment, in dem ich es mir eingestand, konnte ich auch beginnen, mir zu verzeihen.

Verzeihen – was ist das eigentlich? Was meint das eigentlich?

Verzeihen – was ist das eigentlich? Viele Menschen benutzen die Begriffe verzeihen und vergeben synonym. Und sind sich trotzdem unsicher, was sie eigentlich bedeuten. Deswegen möchte ich dir meine Definitionen mitgeben, die sich für mich – und vor allem in der Arbeit mit innerer Heilung – immer wieder sehr bewähren.

Verzeihen – das Sich-Selbst-wieder-vertrauen

Lange habe ich damit gehadert, was Verzeihen eigentlich bedeutet. Jemand baut Mist, entschuldigt sich, ich verzeihe ihm und dann geht es weiter wie zuvor? Oder jemand baut Mist, entschuldigt sich, ich sage, dass ich ihm verzeihe und weiß gleichzeitig, dass ich mich nie wieder wirklich auf ihn einlassen werde? Das sind in meinen Augen häufige Beispiele für Missverständnisse rund um das Thema Verzeihen. Missverständnisse, denen ich grade in meiner Jugend und jungem Erwachsenenalter in Beziehungen immer wieder aufgesessen bin.

Und dann – bestimmt 20 Jahre später – bin ich auf die Definition von Robert Dilts gestoßen. Und mit der bin ich dann in Resonanz gegangen: Dilts schlägt vor, dass Verzeihen bedeutet, zu vertrauen wie zuvor.

Dass Verzeihen bedeutet, die Beziehung wieder mit Vertrauen zu füllen. Also: wenn du jemandem verzeihst, dann gibst du ihm oder ihr erneut Zugang zu dir. Entsprechend setzt Verzeihen voraus, dass der andere Mensch auch etwas verändert hat. Dass er Verantwortung übernommen hat. Dass du dich sicher genug fühlst, um zu sagen: Okay – wir versuchen es nochmal.

Du stellst die Verbindung wieder her, du lässt Nähe wieder zu – emotional, menschlich.

Wenn das nicht gegeben ist, dann wäre Verzeihen Selbstverrat. Dann wäre es ein fauler Kompromiss – aus Angst, nicht aus innerer Klarheit.

Deshalb ist Verzeihen in gewisser Weise ein gemeinsamer Prozess – zwischen zwei Menschen, die sich ehrlich begegnen.

Was bedeutet es dann, sich selbst zu verzeihen? Genau: Sich selbst wieder zu vertrauen

Und wenn ich selbst nicht so gehandelt habe, wie ich mir das von mir selbst gewünscht hätte? Dann ist eben oft auch mein Vertrauen in mich selbst erschüttert. Mein Vertrauen darein, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann, dass ich schon das richtige tun werde.

Um mir dann zu verzeihen, ist es also erforderlich, zunächst einmal Verantwortung zu übernehmen, für das was man getan (oder eben nicht getan) hat. Dann daraus zu lernen, was man das nächste Mal in vergleichbarer Situation anders machen wird. Und wenn man dabei feststellt, dass es einschränkende Glaubenssätze oder Muster gibt, die ein handeln, das den eigenen Werten entspricht, bisher blockieren, müssen die eben zunächst aufgelöst oder entmachtet werden.

Wenn dies geschehen ist, wird es an der Zeit, sich selbst zu verzeihen. Sich selbst wieder zu vertrauen. Sich selbst wieder eine Chance zu geben. Nicht mit der Erwartung, dass nie wieder etwas schief gehen wird – eine solche Erwartung müsste scheitern – aber in dem Wissen, alles getan zu haben, damit es das nächste Mal besser läuft.

Es bedeutet: Ja, ich hab da etwas gesagt, getan, entschieden, was wehgetan hat. Und ja, ich trage die Konsequenz. Aber ich bin mehr als diese Begrenzung. Ich bin ein Mensch in Entwicklung. Ich bin ein Wesen in Bewegung. Menschlich ist genug.

Und manchmal bedeutet Sich-selbst-zu verzeihen eben auch sich einzugestehen:

Ich hab nicht mehr gekonnt.

Ich hab‘s nicht besser gewusst.

Ich hab überlebt – und das allein war schon viel.

Sich selbst zu verzeihen ist also keine Absolution. Kein leichtfertiges Weiter-so. Es ist ein Anerkennen. Ein Ich sehe mich. Mit allem. Ich lasse mich nicht fallen. Und erst, wenn wir so zu uns selbst in Verbindung treten können, können wir es in letzter Konsequenz auch zu anderen.

In dem Moment, in dem du dir selbst verzeihst, holst du deine eigene Würde zurück. Deine Verbindung zu dir. Du erneuerst das Fundament deiner Selbst-Beziehung. Zwar vielleicht am Anfang noch wackelig, aber mittelfristig wirst du feststellen, dass es dich, deine Selbstbeziehung und dein Selbstvertrauen stärker gemacht hat. Dass du danach anders im Leben stehst. Stärker. Selbstbewusster.

Vergeben – die spirituelle Rückverbindung

Wenn du dir selbst verziehen hast – wirklich, nicht im Kopf, sondern im Herzen – dann kommt oft der nächste, stillere Schritt. Eine Ahnung. Eine Sehnsucht: Bin ich auch im Frieden mit dem, was größer ist als ich?

Der nächste Schritt kann dann die Vergebung sein. Was meinen wir mit Vergebung? Manchmal sagen wir: Verzeihen ist menschlich, Vergeben ist göttlich. Für mich bedeutet Vergeben die bewusste Rückverbindung mit einem großen Ganzen. Ob du das Gott, die Götter, die Mythen, die Urkräfte, das Universum oder einfach das leben nennst, überlasse ich dir.

In Zeiten, in denen wir mit uns hadern, ziehen wir uns zurück. Unbewusst wollen wir uns niemandem zumuten und wir wollen auch nicht, dass irgendjemand mitkriegt, was los ist. In diesen Zeiten verlieren wir oft die Verbindung zum Großen Ganzen, zu unserer Spiritualität.

Vergebung ist deswegen mehr als ein innerer Akt. Vergebung ist eine Rückverbindung. Ein Moment, in dem du nicht nur dir selbst verzeihst, sondern das Gefühl bekommst: Jetzt darf ich auch wieder im Frieden mit dem Leben stehen.

Vergebung ist in diesem Sinne ein Akt der Gnade. Kein Freispruch. Keine Ausrede. Sondern ein demütiges „Ich bin bereit, wieder Teil des Ganzen zu sein“.

Du brauchst dafür keine Zeremonie. Aber manchmal hilft eine. Du brauchst keine Worte. Aber manchmal flüstert ein innerer Satz: Ich bin nicht mehr die, die das getan hat. Ich habe daraus gelernt. Ich bin gewachsen. Ich kehre zurück.

Und dann geschieht nach meiner Erfahrung etwas ganz Feines: Du spürst, dass dich das Leben wieder aufnimmt. Nicht wie eine Mutter, die alles vergisst. Sondern wie eine Kraft, die sagt: Willkommen zurück. Willkommen zurück im Leben. Du hast deine Lektion gelernt und jetzt geh weiter.

In diesem Moment wird für mich Vergebung zu einem spirituellen Heimkommen. Kein „Alles ist gut“ – aber ein: Ich bin wieder im Einklang mit mir. Und mit dem, was größer ist als ich. Ich kann und will wieder zur Gemeinschaft beitragen.

Vielleicht magst du dir jetzt einen Moment nehmen, um nachzuspüren:

Wo hast du dich vom Leben zurückgezogen – und wo wärst du vielleicht bereit, zurückzukehren?

Teil 3: Der Schuld-Moment

Nachdem ich für mich geklärt hatte, was mein Anteil daran war, dass die Dinge so gekommen waren, wie sie gekommen waren – also dass ich keinen Weg gefunden hatte, die schwierigen Themen früher anzusprechen, als es vielleicht noch möglich gewesen wäre, sie zu stoppen – kam irgendwann die nächste Frage.

Eine, die sich leise, aber drängend in mir meldete: Welcher Teil der Schuld, der Last, die ich spürte, war überhaupt meiner? Und welcher Teil gehörte eigentlich gar nicht zu mir?

Denn wenn du systemisch arbeitest – und vielleicht auch, wenn du sehr fein spürst – dann weißt du: Schuldgefühle sind nicht immer unsere eigenen. Wir übernehmen sie. Aus Loyalität, aus Liebe, aus Angst. Oft aus dem eigenen Familiensystem – aber meine Erfahrung zeigt: immer wieder übernehmen wir auch Schuld aus dem System unseres Partners. Gerade, wenn wir uns sehr nah waren. Wenn wir ein gemeinsames Leben geplant oder schon gelebt haben.

Von Klaus wusste ich, dass sein Herkunftssystem extrem belastet war. Sein Urgroßvater – jüdischen Glaubens – hatte im KZ gesessen. Klaus hat das öfter erzählt. Aber dieser Mann war nicht nur Opfer des Nazi-Regimes – sondern auch Täter. Er war sogenannter „Schupo“, ein Barackenvorsteher. Und es ist bekannt, dass Nazi solche Menschen zu Schupos machten, die vor Gewalt gegen ihres gleichen nicht zurückschreckten.

Darüber hinaus gab es, so schilderte es Klaus, Hinweise auf weitere Verbrechen, die dieser Urgroßvater begangen haben soll – schwer auszuhaltende Taten, über die ich hier nicht im Detail sprechen möchte, aber du kannst sie dir vielleicht zwischen den Zeilen denken.

Diese systemische Schuld hat Klaus zeitlebens belastet. Er war – aus systemischer Sicht – mit den Opfern seines Urgroßvaters identifiziert die nicht überlebt hatten. Daraus resultierte der zeitlebens bei ihm vorhandene Zug in den Tod. Das war sein zunächst unbewusster, in den letzten Jahren seines Lebens aber sehr bewusster Versuch, für die Taten seines Ur-Großvaters zu sühnen. Indem er dessen Last, dessen Schuld trug.

Darüber hinaus trug er auch die Survivor’s Guilt, die Schuld der Überlebenden. Er war also auch mit den Opfern seines Ur-Großvaters identifiziert, die überlebt hatten. Die Leitfrage von Menschen, die an der Schuld der Überlebenden leiden, lautet: „Warum ich? Warum lebe ich noch und Paul, der so viel großartiger war als ich, musste gehen?“ Auch an dieser Last hat Klaus schwer getragen.

Und als ob das noch nicht genug wäre, war er gleichzeitig auch mit dem Täter, mit seinem Ur-Großvater, identifiziert. In ihm tobte eine Energie, die immer wieder wirklich zerstörerisch war. Es kostete ihn viel Kraft, diese im Zaum zu halten.

Ich glaube heute, dass diese Vernichtungsenergie, in letzter Konsequenz, ihn getötet hat. Über Suizid als Ausdruck eines systemischen, wenn auch tragisch fehlgeleiteten Versuchs der Sühne, spreche ich gleich noch einmal gesondert.

Wie ich die Schuld, die in das System von Klaus gehört, bei ihm lasse

Was mir jedenfalls damals aufging – ganz körperlich spürbar – war das hier: Ein Großteil der Schuld, die ich fühlte, war gar nicht meine. Sie gehörte nicht in mein Leben, nicht in meine Biografie – sie kam aus dem System von Klaus. Und das Erstaunlichste: Sie tauchte nicht erst auf, als er sich das Leben nahm. Sondern sie war schon da, ab dem Moment, als wir uns zum ersten Mal auf der Mann-Frau-Ebene begegneten. Als ob sich unsere Systeme bereits da verabredet hätten, etwas miteinander zutragen.

Ich konnte das damals nicht sofort einordnen – ich habe einfach nur gespürt: Da ist etwas in mir, das schwer auf mir lastet, aber nicht aus meiner eigenen Geschichte stammt. Also habe ich es mir angeschaut. Systemisch. Mit Bodenankern. Und auf meiner Timeline.

Vielleicht kennst du den Begriff „Timeline“ aus dem NLP – und wenn nicht, dann erklär ich ihn dir kurz. Die Timeline ist die Visualisierung der inneren Linie deines Lebens.

Im NLP arbeiten wir mit der Idee, dass unser Gehirn Zeit nicht nur als abstraktes Konzept verarbeitet, sondern ganz körperlich, räumlich verortet. Für viele Menschen liegt die Vergangenheit buchstäblich hinter ihnen, die Zukunft vor ihnen – und die Gegenwart dazwischen.

Wenn wir sagen, wir stellen die Timeline auf, dann tun wir genau das: Wir legen Bodenanker – also einfache Zettel oder Karten – in den Raum, und zwar so, dass sie die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft symbolisieren. Und daraus ergibt sich eine Linie. Eine Zeitlinie, durch die du dich körperlich hindurchbewegen kannst.

Das klingt vielleicht erstmal ein bisschen esoterisch – ist es aber nicht. Denn unser Gehirn kodiert Zeit tatsächlich räumlich. Und weil das so ist, fühlt es sich auch stimmig an, wenn wir uns im Raum bewegen – wenn wir zurückgehen in frühere Momente oder uns in zukünftige hineinstellen.

Gerade im Coaching ist das ein unglaublich mächtiges Tool, um sich innerlich zu sortieren. Weil unser Körper oft noch ganz genau weiß, wann ein Gefühl zum ersten Mal aufgetaucht ist.

Und genau das habe ich getan. Ich bin Schritt für Schritt zurückgegangen – von der Gegenwart in Richtung Vergangenheit. Und irgendwann kam ich zu diesem einen Punkt. Nicht der Tag seines Todes. Nicht die Wochen davor.

Sondern der Moment, in dem wir uns als Mann und Frau das erste Mal begegnet sind. Als wir ein Paar wurden. Und ich spürte: Genau da kam das Schuldgefühl in mein System.

Und dann bin ich noch einen Schritt weiter zurückgegangen. Vor diesen Moment. Und was dann geschah, war ganz einfach – und gleichzeitig zutiefst bewegend: Das Schuldgefühl war weg.

Mein Körper war ruhig. Kein Druck mehr, kein Ziehen, kein inneres Chaos. Weil ich mich wieder in einem Abschnitt meines Lebens befand, in dem diese Schuld einfach nicht präsent war. Weil sie nicht zu mir gehörte.

Sondern zu ihm. Zu seinem System. Und ich stand da – mit beiden Füßen auf dem Bodenanker – und spürte: Ich darf diese Schuld, diese fast erdrückende Last zurückgeben in sein System. Sie hat mit den Dingen, die wir gemeinsam erlebt haben, nichts zu tun.

Warum es so wichtig ist, fremde Schuld zurückzugeben

Wenn wir Schuldgefühle spüren, die eigentlich nicht zu uns gehören – sei es aus unserem Herkunftssystem oder aus dem System eines geliebten Menschen – dann tragen wir etwas, das uns nicht gehört.

Und das mag sich erstmal wie ein Akt der Liebe anfühlen. Aber in Wahrheit ist es das nicht. Denn: Wenn du die Schuld eines anderen trägst, nimmst du ihm die Verantwortung ab. Und wenn ein Mensch keine Verantwortung übernimmt, kann er auch kein Vertrauen in sich selbst entwickeln. Systemisch gesehen bedeutet das: Du beraubst den anderen der Chance, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen.

Und das Tragische ist: Während du seine Last trägst, bleibt deine eigene Kraft blockiert. Denn unser Potenzial entfaltet sich nicht im Schuldtragen – sondern im Klarsein. In dem Moment, in dem du etwas Fremdes trägst, verlierst du den Zugang zu deinem eigenen inneren Ruf. Zu deiner Berufung. Zu den Menschen, für die du eigentlich da sein solltest.

Und dann, so paradox es klingen mag, lädst du dadurch selbst Schuld auf dich. Nicht, weil du etwas falsch machst – sondern weil du deine Aufgabe nicht erfüllst. Weil du die Hilfe, die nur du leisten kannst, nicht gibst. Weil du den Weg, der nur dir gehört, nicht gehst.

Deshalb ist es kein Akt der Kälte, fremde Schuld zurückzugeben. Es ist ein Akt der Klarheit. Der Achtung. Der Liebe. Für dich – und für den anderen.

Ein kurzer, aber wichtiger Einschub: Suizid aus der systemischen Perspektive

Wenn wir im systemischen Kontext über Suizid sprechen, dann tun wir das nicht leichtfertig – sondern mit großer Vorsicht und viel Respekt. Und auch mit dem Wissen, dass es sich dabei um ein zutiefst komplexes und schmerzhaftes Thema handelt.

Aber ich möchte trotzdem einen Moment innehalten und dir ein Gedankenmodell vorstellen, das in meinem eigenen Prozess eine wichtige Rolle gespielt hat.

Aus systemischer Sicht ist Suizid nicht einfach „sich selbst töten“. Es stellt sich vielmehr die Frage: Wer tötet da wen – innerlich? Denn oft zeigt sich im Inneren eine Spaltung: Ein sehr aggressiver innerer Täter steht einem zutiefst verletzlichen inneren Opfer gegenüber.

Und wenn dieser innere Täter die Oberhand gewinnt, geschieht etwas, das äußerlich wie eine Entscheidung aussehen mag – aber innerlich oft Ausdruck einer tiefen Verstrickung ist.

Was wir im systemischen Feld immer wieder beobachten: Suizid ist häufig der Versuch der Sühne. Nicht für eigene Schuld – sondern für die Schuld eines Vorfahren. So, als ob ein innerer Anteil sagen würde: Ich gebe mein Leben, weil mein Ur-Großvater so viele Leben genommen hat. In der Hoffnung, dass die Dinge so wieder ins Gleichgewicht kommen.

Ich weiß, das klingt für manche vielleicht esoterisch – und ich verstehe das gut. Aber es gibt inzwischen gut dokumentierte Hinweise darauf, dass unter den Nachkommen hochrangiger Nationalsozialisten überdurchschnittlich viele Suizide vorgekommen sind. Weil sie es nicht ausgehalten haben, was in ihrem Familiensystem geschehen war. Weil sie mit der Schuld ihrer Ahnen identifiziert waren.

Für mich persönlich war diese Perspektive ein Schlüsselmoment: Zu erkennen, dass auch Klaus möglicherweise einem systemischen Ruf gefolgt ist, der nicht seiner war. Dass die Gewalt, die sich in ihm gegen ihn selbst richtete, nicht aus seiner eigenen Biografie kam – sondern aus einem System, das schwer belastet war.

Und deshalb ist es so wichtig und meine Einladung an dich, wenn du bei dir selbst oder bei Menschen, die dir nahestehen, suizidale Gedanken oder Tendenzen wahrnimmst: Beziehe auch das System mit ein.

Frage dich: Für wen leide ich hier? Für wen will ich etwas wiedergutmachen, was vielleicht gar nicht in meinem Leben passiert ist?

Denn – und das ist mir ganz wichtig – auch wenn Klaus aus verschiedenen Gründen diesen Weg gegangen ist: Systemische Dynamiken kann man auflösen. Man kann sich daraus befreien. Nicht von heute auf morgen – aber Schritt für Schritt. Und manchmal beginnt dieser Schritt einfach mit einer Frage: Ist das wirklich meins?

Und wenn du jetzt spürst, dass auch in dir Schuldgefühle wirken, die sich vielleicht gar nicht ganz nach dir anfühlen – wenn du das Gefühl hast, etwas zu tragen, das dich zurückhält, aber dessen Ursprung du nicht klar benennen kannst – dann kann eine Familienaufstellung ein kraftvoller nächster Schritt sein.

Manchmal reicht ein Blick von außen, um innen endlich Klarheit zu spüren. Um zu erkennen: Was gehört zu mir? Und was darf ich zurückgeben?

Die nächste Aufstellung findet am 17. und 18. Mai statt. Wenn du spürst, dass das für dich dran sein könnte, dann schau gerne auf meiner Website vorbei – und wenn du magst, sichere dir einen der letzten freien Plätze.

Ich begleite dich gern ein Stück auf deinem Weg.

Fünf Schritte für den heilsamen Umgang mit Schuld

Wenn du das gehört hast, mag es sein, dass dich das tief berührt hat. Vielleicht, weil du jemanden kennst, der diesen Weg gegangen ist. Vielleicht, weil du selbst manchmal an Grenzen kommst, die sich kaum in Worte fassen lassen. Oder vielleicht, weil du einfach spürst, dass auch in dir Schuldgefühle wirken – ob sichtbar oder leise im Hintergrund.

Und genau deshalb ist es so wichtig, dass wir lernen, mit Schuld heilsam umzugehen. Nicht, indem wir sie wegdrücken. Und auch nicht, indem wir uns von ihr erdrücken lassen. Sondern indem wir ihr zuhören.

Und dann – Schritt für Schritt – herausfinden, was sie uns sagen will. Hier ist mein persönlicher Fünf-Schritte-Weg, den ich über viele Jahre entwickelt habe.

Er beginnt ganz einfach – mit dem Mut, hinzuschauen.

  1. Anerkennen, was ist

„Ja, ich spüre Schuld. Und ich höre ihr zu.“

Der erste Schritt ist radikal einfach – und radikal ehrlich: Nicht wegdrücken. Nicht schönreden. Sondern anerkennen: Da ist ein Gefühl.

Und dieses Gefühl kommt nicht, um dich zu bestrafen – sondern um dich zurückzubringen zu dem, was dir eigentlich wichtig ist.

  1. Verantwortung klären und sortieren: „Was ist wirklich meins – und was habe ich übernommen?“

Ist es eine Schuld, die aus deinem eigenen Handeln – oder Nichthandeln – entstanden ist? Oder spürst du eine Last, die gar nicht aus deinem Leben stammt? Vielleicht hast du Schuld übernommen – aus deinem Familiensystem, aus dem Leben eines geliebten Menschen, vielleicht sogar aus einer Generation, die lange vor dir war.

Diese Unterscheidung ist entscheidend: Nur für das, was wirklich deins ist, kannst du Verantwortung übernehmen. Fremde Schuld darfst du liebevoll und konsequent dorthin zurückgeben, wo sie hingehört.

  1. Verantwortung übernehmen – und dir selbst verzeihen: „Ich stehe zu meinem Anteil – und ich halte mich trotzdem für liebenswert.“

Wenn du spürst: Ja, das war mein Anteil – dann steh dazu. Nicht aus Scham, sondern aus innerer Reife. Verantwortung übernehmen heißt nicht: Ich bin schlecht. Sondern: Ich bin bereit zu lernen. Und dann: Ich verzeihe mir, ich bin bereit, mir wieder zu vertrauen. Weil ich weiß, dass ich mehr bin als mein Fehler. So entsteht echtes Selbstvertrauen in dir und für dich.

  1. Fremde Schuld zurückgeben – und dich befreien: „Ich erkenne, was nicht zu mir gehört – und lasse es los.“

Wenn du fremde Schuld trägst, blockierst du nicht nur dein eigenes Leben – du nimmst auch dem anderen die Chance, in seine Verantwortung zu kommen. Du beraubst ihn – unbewusst – seiner eigenen Seelen-Entwicklung.

Doch nicht nur das: Während du trägst, was nicht zu dir gehört, kannst du dein eigenes Potenzial nicht leben. Deine Berufung bleibt auf Stand-by. Deshalb: Gib zurück, was nicht deins ist. Es ist kein Akt der Kälte. Es ist ein Akt der Klarheit. Und der Liebe.

  1. Verbindung neu wählen – im Innen und im Außen

„Was will ich jetzt heilen – in mir, mit anderen, im Leben?“

Und dann ist es Zeit für Vergebung. Nicht als Pflichtübung. Sondern als innere Entscheidung: Ich kehre zurück.

Zurück in die Verbindung mit dem, was größer ist als ich. Zurück in die Gemeinschaft der Lebenden. Zurück ins Leben – nicht als Zuschauerin, sondern als Teil davon.

Sich selbst vergeben bedeutet in diesem Moment: Ich öffne mich wieder. Ich bin wieder bereit, die Geschenke des Lebens zu empfangen. Die Fülle. Die Schönheit. Die Begegnungen. Die Tiefe.

Und ich bin bereit, meine Geschenke zurückzugeben: Mein Können. Meine Erfahrung. Meine Berufung. All das, was nur ich in diese Welt bringen kann. All das, was wartet, von mir gelebt und geteilt zu werden.

Wenn du dir vergibst, wird der Weg frei. Für Sinn. Für Wirksamkeit. Für echte Erfüllung. Dann erfüllt sich Bestimmung – nicht als großer Knall, sondern als stilles, kraftvolles Wieder-in-den-Fluss-Kommen. Dann wird das, was du erlebt hast, zu dem, was du weitergeben kannst.

Outro

Danke, dass du heute dabei warst. Das war eine besondere Folge für mich. Und ich hoffe, sie war auch für dich ein Stück heilsam.

Wenn du mir schreiben magst, was sie in dir ausgelöst hat – du findest mich wie immer auf Instagram, oder auf wildwechsel-nlp.biz.

Und wenn du magst: Lass eine Bewertung da, teil den WildCast mit anderen – oder komm zum nächsten NLP-Infoabend.

Bis nächste Woche.

Herzlichst,

Susanne (Lapp)
NLP-Expertin, Familienaufstellerin, Lehrcoach & Lehrtrainerin

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Herzlichst

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