Coaching bei Krebs & Co

Coaching bei Krebs & Co

Inhaltsangabe

Mein Erfahrungsbericht und ein Blick in den Werkzeugkasten (Artikel erschienen in der Praxis Kommunikation 5/24)

Es war der 7. September 2017. Ich stand unter der Dusche. Gleich würde meine Welt sich für immer verändern. Und mich – später – zu einem furchtloseren Coach machen.

Die Diagnose – von jetzt auf gleich todkrank

Eben noch hatte ich mich voller Freude auf den Tag eingeseift und dabei einen walnussgroßen Knoten in der linken Brust ertastet. Anderthalb Stunden später saß ich bei meiner Frauenärztin. Sie brauchte keine 10 Minuten, um meinen Verdacht zu bestätigen und mich ins Krankenhaus zu überweisen. 

Der Fußweg dauerte 5 Minuten. Nochmal Ultraschall. Unmittelbar darauf Biopsie und Mammographie. Dann war Wochenende. Geduldiges Warten wechselte sich ab mit galoppierenden Ängsten und Momenten voller Zuversicht. Montag stand die Diagnose fest: Brustkrebs – verbunden mit der Empfehlung, sofort mit der 6-monatigen Chemo zu beginnen. Gefolgt von OP und Bestrahlung. 

Mein Hausarzt: „Mindset is King“

Mein Hausarzt würde wenige Tage später sagen: „Mit dieser Diagnose hätten Sie vor 20 Jahren eine 30%-ige Überlebenswahrscheinlichkeit gehabt.“ Er ergänzte: „Aber diejenigen, die die Krankheit durchstehen, stehen danach oft besser im Leben als zuvor.“ Zu dieser Gruppe wollte ich gehören. 

Doch mein Hausarzt war noch nicht fertig: Wichtig wäre es, jetzt kein „Kranken-Mindset“ zu entwickeln. Mit diesen Worten komplementierte er mich aus der Praxis. 

Nun – mit Mindset kannte ich mich als Lehrcoach und Familienaufstellerin aus. Das sollte doch hinzukriegen sein, dachte ich auf dem Weg nach Hause. Wofür hatten Klaus, mein damaliger Lebensgefährte, und ich unsere Coaching-Skills, wenn nicht, um solch existenzielle Krisen zu überstehen?

Das (Selbst-)Coaching beginnt

Noch am selben Tag starteten wir mit meinem (Selbst-) Coaching. Wir begannen mit der ganz großen Frage, mit meinem Verhältnis zu dem Tumor, zu Leben und Tod. 

Wir entschieden uns für eine Symptomaufstellung und die Arbeit mit Bodenankern. Klaus schrieb sie und ich legte sie meinem inneren Bild entsprechend aus. Im nächsten Schritt stellten Klaus und ich uns abwechselnd auf die jeweiligen Bodenanker. Ich werde nie sein verblüfftes Gesicht vergessen, als er auf dem Anker für mich stand: „Ich habe überhaupt keine Angst, den Kampf zu verlieren. Im Gegenteil, ich brenne darauf, ihn zu schlagen.“ In dem Moment wurde mir klar, dass er Recht hatte. 

Ich stellte mich als nächstes auf den Bodenanker für „Tod“ und war verblüfft, dass der Tod sehr wohlwollend war: „Ja, irgendwann komme ich. Aber jetzt habe ich noch kein Interesse an dir.“ Das Leben war dagegen klar in seiner Ansage: „Ich erwarte noch viel von dir – gib Gas.“

So mit Ressourcen aufgeladen, stellte ich mich auf den Bodenanker für den Tumor. Ich erschrak, wie aggressiv er sich anfühlte. „Ich will töten“ war die klare Aussage. Jetzt war klar, wo der Feind stand. 

Folgende Aspekte meiner Gesundung haben wir mit Coaching begleitet

In den kommenden Monaten nutzen wir unser gesamtes Coaching-Repertoire, um 

  • Die Entscheidung über die Therapieoptionen zu begleiten (ich entschied mich wie empfohlen für eine 6-monatige Chemo, gefolgt von Operation, Bestrahlung und Anti-Hormon-Therapie)
  • Die Nebenwirkungen der Chemo zu lindern (alles in allem nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber weit von dem Horror entfernt, von dem ich im Internet las)
  • Meine Ängste in den Griff zu bekommen (als besonders schlimm empfang ich das Setzen des Ports – würde ich nie mehr in Lokalanästhesie machen)
  • Mit meiner Trauer umzugehen (gefühlt alle lebten draußen ihr bestes Leben und ich lag drin und kämpfte mit der Übelkeit)
  • Meine Wut in den Griff zu bekommen (damals wusste ich es noch nicht, dass intensive Wut häufig eine Begleiterscheinung von lebensgefährlichen Diagnosen ist. Schließlich werden elementarste Grenzen – unsere Gesundheit(!) – verletzt und wir in Lebensgefahr gebracht.)
  • Die tieferen Ursachen der Krankheit zu verstehen und einen Sinn in ihr zu finden (hier stieß ich auf transgenerationale Trauma. Diese geheilt zu haben, gibt mir bis heute viel Ruhe und inneren Frieden)
  • Eine Perspektive für den Neustart zu entwickeln (nach Chemo, OP und Bestrahlung)

Alles, was ich damals in der Arbeit mit mir gelernt habe, nutze ich seitdem, um Klient*innen im Umgang mit ihren Diagnosen zu unterstützen. Im Folgenden schildere ich einige Beispiele.[1]

EFT und NLP für das Management der eigenen Gefühle

Erfahrungsgemäß können die Gefühle von Angst und Wut gerade kurz nach der Diagnosestellung überwältigend sein.

So saß vor einiger Zeit ein Klient vor mir, der die Diagnose „Lungenkrebs“ erhalten hatte. Ein Sportler und mit seinen fast 2 Metern „ein Baum von einem Mann“. Doch jetzt zitterte er am ganzen Leib. Er könne nicht mehr schlafen. Die Angst, bald an Kraft zu verlieren und zu sterben, mache ihn fast wahnsinnig.

Meiner Erfahrung nach eignen sich Klopftechniken besonders gut, um im Umgang mit Ängsten schnelle Fortschritte zu erzielen. Sie haben den Vorteil, dass sie sich von den Klienten schnell erlernen und dann quasi überall anwenden lassen (bei nächtlichen Panikattacken, bei unangenehmen Untersuchungen, während langer Warterei in Wartezimmern, während der Chemo etc.).

So bot ich meinem Klienten die Klopftechnik „EFT“ an. Er stimmte zu. Verortete er seine Angst anfangs auf einer Skala von 0 bis 10 bei 12, so sank sie innerhalb der nächsten 30 Minuten auf unter 5. Sehr erleichtert und mit einer EFT-Beschreibung ausgestattet ging er an diesem Tag nach Hause.

Ein anderer Klient wünschte sich Unterstützung bei tobenden Wutanfällen, die ihn überkamen, seit er mit seiner Krebsdiagnose kämpfte. Es beruhigte ihn zu hören, dass überschäumende Wut sehr häufig nach Diagnosestellung erlebt wird (und also nicht sein persönlicher Charakterfehler war). Hier half ein Swish aus dem NLP, die von ihm gewünschte Zuwendung seiner Familie gegenüber zu etablieren.

Die Arbeit auf der Timeline: Meine Klientin gewinnt ein Gespür für ihre Therapie-Optionen

Eine Klientin saß vor mir und war ganz aufgewühlt. Sie hatte vor kurzem die Diagnose „Brustkrebs“ erhalten. Die Klinik drängte, dass sie die Entscheidung über die empfohlene Therapieoption zwar nicht innerhalb von Stunden, aber doch zeitnah fällen sollte. Die Ärzte hatten Chemo, OP und Bestrahlung vorgeschlagen. Sie war sich unsicher, ob sie sich dieser Empfehlung anschließen wollte.

Ich schlug vor, verschiedene Therapieoptionen auf der Timeline zu erforschen. Die Arbeit mit der Timeline war ihr vertraut, weil sie bei mir bereits eine NLP-Ausbildung absolviert hatte. Sie entschied sich, 3 Therapiealternativen zu eruieren:

  1. Chemo, OP, Bestrahlung, Anti-Hormontherapie wie vorgeschlagen plus Coaching
  2. OP, Bestrahlung, Anti-Hormontherapie plus Coaching (ohne Chemo)
  3. Naturheilverfahren und Coaching

Wir legten die Optionen jeweils mit Bodenankern auf drei parallelen Timelines aus. Die Zeiträume in der Zukunft umfassten jeweils 1, 3, 6, 12 Monate, 2, 3, 5, 10 und 15 Jahre.

Die 1. Option: Kurzfristig hohe Belastung, mittelfristig Vitalität

Sie begann mit dem Erforschen der 1. Timeline. Im Hier und jetzt ging es ihr gut. Doch bereits in 3 Monate später bemerkte sie, wie ihre Beine schwach werden. Sie verlor zunehmend den Halt. Nur mit großer Mühe kann sie sich auf den Bodenanker für 6 Monate hangeln. Dort würde sie sich am liebsten hinlegen. Nach kurzer Ruhepause schaffte sie es auf den Bodenanker mit den 9 Monaten – und hier ging es ihr bereits deutlich besser! Die folgenden Jahre fühlten sich stabil an.

Die 2. Option: Kurzfristig mittlere Belastung, langfristig tot

Auf der zweiten Timeline wurde es kurzfristig um den Zeitpunkt der OP herum etwas instabil. Auch der Zeitraum der Bestrahlung fühlte sich nicht angenehm an. Doch beides deutlich besser als bei der Variante 1 mit vorhergehender Chemo-Therapie. 

Als sie die Timeline jedoch weiterging, spürte sie nach 18 Monaten eine deutliche Verschlechterung ihres Zustands. Nach 24 Monaten musste sie sich hinlegen, verbunden mit dem Gefühl, nicht mehr aufstehen zu können. „Hier bin ich tot“ lautete ihre Analyse.

Die 3. Option: Kurzfristig keine Belastung, mittelfristig tot

Ähnlich verlief die Erforschung der 3. Timeline. Kurzfristig ging es ihr gut, doch schon sehr bald trat eine Verschlechterung ihres Zustands ein. Sie hatte das Gefühl, dass sie das nächste Jahr nicht überstehen würde.

Für sie stand als Ergebnis unseres Coachings fest, dass sie sich für die von den Ärztinnen vorgeschlagene Option entscheiden würde. Verbunden mit dem guten Gefühl, dass es für sie die beste Option wäre.

Ähnliche Arbeiten habe ich in der Zwischenzeit mit mehreren Klient*innen durchgeführt. Meist, aber nicht immer, fühlten sie die Therapieempfehlungen am stimmigsten an. Dabei ist es mir wichtig, dass das Coaching niemals die Empfehlungen der Ärzte ersetzen, aber um die eigene Wahrnehmung, das eigene Empfinden von Stimmigkeit ergänzen kann.

Die Arbeit auf der Timeline setze ich auch ein, wenn eine Zweitmeinung eingeholt wurde und diese von der ersten Therapieempfehlung abweicht. So kann der Klient in seiner Entscheidung für eine Therapieoption unterstützt werden.

Die großen Fragen: Habe ich mein Leben gelebt? Falls ich muss, gehe ich in Frieden?

Die Bedürfnisse meiner Klient*innen mit potenziell lebensgefährdenden Diagnosen sind sehr unterschiedlich. Während sich einige eine ausschließlich symptom-orientierte Unterstützung wünschen (Umgang mit Angst, Trauer und Wut, Etablierung eines gesünderen Lebensstils), nehmen andere die Situation zum Anlass, um die großen Fragen unserer Existenz zu reflektieren:

  1. Wohin führt mich mein Seelenweg?
  2. Was will ich ggf. ändern, um in Frieden gehen zu können?
  3. Was will ich ändern, um gut zu leben?

Wir wissen nicht, wieviel Einfluss wir in letzter Konsequenz auf unser Schicksal nehmen können. Und doch empfinden viele Menschen nach meiner Erfahrung die Auseinandersetzung mit den Fragen nach Leben und Tod und der eigenen Haltung dazu als hilfreich. 

Für mich sind in diesen Gesprächen zwei Dinge besonders wichtig, 

  1. der Mut, schwierige Dinge anzusprechen und auszuhalten sowie
  2. die individuellen Lebensentscheidungen der Klienten zu achten. 

Wenn die Entscheidung gegen eine (Fortsetzung der) Therapie und damit für einen potenziell baldigen Tod getroffen wird, zerreißt es mir fast das Herz. Coaching kann vieles und gelegentlich zaubern. Doch manchmal bleibt nur tiefe Demut. 

Wenn meine Klienten sich für das Leben entscheiden, fällt es mir so viel leichter. Ich genieße es, wenn wir Jahre später zurückschauen und das Erreichte feiern. Nicht zuletzt dafür liebe ich meinen Beruf.

Du interessierst dich für mein Business- & Trauma-Coaching? Alle Infos findest du hier.

Herzliche Grüße

Susanne (Lapp)


[1] Alle Beispiele sind verfremdet und werden mit Erlaubnis der Klient*innen berichtet.

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