Die Frage: „Was sind Meta-Programme?“ können wir in drei Fragen aufteilen:
• Was ist ein Meta-Programm?
• Gibt es Meta-Programme?
• Wie viele Meta-Programme gibt es?
Meta-Programme kommen in unserem subjektiven Erleben nicht vor. Sie sind für uns nicht in der gleichen Weise erlebbar wie z. B. die Repräsentations-Systeme, Strategien oder Anker. Sie sind allerdings auch nicht im äußeren Verhalten direkt beobachtbar wie etwa die Augenzugangshinweise. Sie sind der Versuch, das beobachtbare Verhalten zu kategorisieren, und zwar so, dass es möglich wird, einen Bereich wie z. B. Motivation so aufzuteilen, dass jedes Verhalten, dass man überhaupt zu dieser Domäne rechnen kann, entweder in die eine oder die andere Kategorie (hin zu – weg von) fällt. Was wir beobachten können, sind Muster, Regelmäßigkeiten, Wiederholungen. Diese sind allerdings nicht alle das Produkt von einem speziellen Programm, welches die Aufgabe hat, diese Art von Regelmäßigkeit hervorzurufen. So ist z. B. bei vielen Menschen feststellbar, dass sie eher nachts oder eher tagsüber arbeiten. Dies mag bei einigen etwas mit ihrer Veranlagung zu tun haben, bei anderen aber eher mit ihrem Job, sie sind vielleicht Kellner in einer Nacht-Bar. Und diese Muster sind außerdem vom Kontext abhängig und verändern sich mit dem Alter oder den Lebensumständen.
Welche Regelmäßigkeiten, welche Muster kommen nun also für Meta-Programme in Frage?
Die Frage „wie viele Meta-Programme“ es gibt, lässt sich leicht beantworten: So viele, wie jemand sinnvolle kategoriale Unterscheidungen für das menschliche Verhalten einführen kann.
Meta-Programme sind in diesem Sinne also Beobachterkategorien. D. h. sie dienen dem Beobachter dazu, sich in der Vielfalt des menschlichen Verhaltens orientieren zu können. Ähnlich wie die klassische Unterteilung in Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker und Choleriker.
Beobachtung und Unterscheidung
Wie bereits in der Second Order Cybernetics gezeigt wurde, wird jede Beobachtung nur durch die Nutzung einer Unterscheidung möglich. Jede Beobachtung beobachtet etwas und nicht alles auf einmal. Damit wird das Thematische von seinem Hintergrund getrennt. Gleichzeitig wird das Thematische mit einer bestimmten begrifflichen Unterscheidung thematisiert; z. B. System/Umwelt, Subjekt/Objekt, wahr/falsch, gerecht/ungerecht, legal/illegal, krank/gesund, normal/deviant usw. Diese begriffliche Unterscheidung ist in der jeweiligen Beobachtung vorausgesetzt und als solche der blinde Fleck der jeweiligen Beobachtung. Dieser kann allerdings durch eine zweite Beobachtung beobachtet werden.
In diesem Sinne sind Meta-Programme eine Art, menschliches Verhalten zu beobachten und gleichzeitig eine Art zu beobachten, wie der Beobachtete in einer bestimmten Situation beobachtet. Achtet er z. B. mehr auf Unterschiede oder mehr auf Gleichheit, achtet er mehr auf die Bedürfnisse der anderen oder mehr auf seine eigenen?
Ein Satz wie: „Was muss ich machen, um genauso gut in NLP zu werden wie du?“, kann natürlich unter Meta-Programm-Gesichtspunkten analysiert werden. Wir können dann feststellen, dass der Fragende eine externe Referenz nutzt, dass er nach Notwendigkeit (was muss ich machen) sortiert und nach Gleichheit (genauso gut) fragt. Diese Meta- Programm-Sequenz können wir in unserer Antwort pacen oder mismatchen oder teilweise pacen, um dann zu leaden, usw.
Wir könnten auch darauf achten, ob diese Frage relativ zu ihren Parabotschaften kongruent oder inkongruent gestellt ist.
Wir könnten aber auch mit dem Vier-Ohren-Modell nach der Sacheben, der Beziehungsebene, der Selbstoffenbahrung und dem Appell fragen.
Im Rahmen der Transaktionsanalyse könnten wir uns aber auch fragen, ob diese Frage nicht die Eröffnung eines Aufmerksamkeitsspiels ist.
In diesem Sinne können wir sagen, dass jede Beobachtung ihr Objekt der Beobachtung erst durch eine Unterscheidung konstituiert. D. h. auch, dass jede Beobachtung einer Beobachtung eine Dekonstruktion bzw. ein Deframing darstellt. Es werden die Bedingungen dekonstruiert, unter denen diese Beobachtung konstruiert wurde. Dabei darf nicht vergessen werden, dass jede Dekonstruktion natürlich selbst eine Konstruktion ist und als solche für weitere Dekonstruktionen zur Verfügung steht.
Jede Unterscheidung produziert, wie wir gesehen haben, ein Innen und ein Außen der Unterscheidung. Z. B. können wir Verhalten unter dem Gesichtspunkt kongruent/inkongruent beobachten. Alles, was weder kongruent noch inkongruent ist, ist damit außerhalb unseres frames of reference. Außerhalb dieser Unterscheidung könnten z. B. Unterscheidungen wie effektiv/ineffektiv, freundlich/unfreundlich usw. eine Rolle spielen. Aber die Einheit von Innen und Außen kann selbst nicht mit den Unterscheidungen innerhalb der Unterscheidung thematisiert werden. Es macht keinen Sinn zu fragen, ob die Einheit selbst kongruent bzw. inkongruent ist. Wir können aber jede Unterscheidung auch auf sich selbst anwenden. Es macht durchaus Sinn, von einem kongruent inkongruenten Verhalten zu sprechen, z. B. bei der Ironie. Oder wir können inkongruent inkongruent sein, etwa bei einer Parodie. Verhalten wir uns dann kongruent oder inkongruent? Ober wenn wir das Meta-Programm Referenzrahmen nutzen, können wir das Verhalten von jemandem so beobachten, dass wir sagen: „Er nutzt externe Referenz, um sich für einen Kauf zu entscheiden.“ Wir können aber auch fragen, welche interne Referenz er genutzt hat, um gerade diese externe Referenz zu nutzen.
Welche Unterscheidungen wir nutzen, wenn wir einen neuen frame of reference eröffnen, bleibt der Autonomie des Beobachters überlassen. Jeder Beobachter muss erklären, warum er wen mit welcher Absicht gerade mit den Unterscheidungen beobachtet, die er tatsächlich nutzt, da diese sich eben nicht mehr von selbst verstehen. Viele Leser würden sich wahrscheinlich von der theologischen Unterscheidung fromm/unfromm nicht angemessen beobachtet fühlen, da sie diese Unterscheidung als Ganze zurückweisen würden.
Der Beobachter eines Beobachters sieht, was dieser sieht und wie er es sieht. Er kann aber auch sehen, was dieser gerade nicht sieht. Und er kann sehen, dass der andere nicht sieht, was er nicht sieht. Er kann mit anderen Worten den blinden Fleck des Beobachters ent-decken. Und dies ist die Legitimation für moderne Therapeuten. Sie können ihm helfen, die Probleme, die gerade durch die Struktur seines blinden Flecks entstanden sind, zu ent-decken und so mögliche Reframes im weitesten Sinne des Wortes eröffnen. Allerdings liegen jenseits der Unterscheidungen, die für den Klienten Leid produzieren, viele andere mögliche Unterscheidungen, und je nach dem zu welcher Art von Therapeut man geht, wird dieser auf sehr unterschiedliche Art zu einem Beobachter zweiter Ordnung. Und es ist nie auszuschließen, dass der Klient die Art und Weise, wie er von seinem Therapeuten beobachtet wird, wiederum beobachtet und diesen auf seinen blinden Fleck aufmerksam macht.
Gibt es Meta-Programme?
Die Frage, ob es Meta-Programme gibt, ist also als Frage nach dem Status dieser Unterscheidungen zu verstehen. Beschreiben sie etwas, was es bei den Individuen im Inneren „wirklich“ gibt, oder sind sie rein äußerliche Unterscheidungen?
Diese Frage will ich anhand einiger Situationen aus der alltäglichen Praxis verdeutlichen. Wenn gesagt wird, dass die Meta-Programme unbewusste Dispositionen, Filter oder Sorts oder gar „building blocks of personality“ sind, dann wird natürlich so getan, als ob sie ein unbewusstes Programm sind, also ein Teil der „Software“ des Individuums. Vielleicht wie ein Compiler-Programm, welches auf der Bildschirmoberfläche vom Benutzer nie wahrgenommen wird, was aber im Hintergrund trotzdem ständig aktiv ist. Und was sozusagen tief unbewusst ist, d. h. nur für den Experten zugänglich bzw. erkennbar und veränderbar ist.
Im Gegensatz dazu können wir die Meta-Programme auch als äußerliche Klassifizierungen betrachten, die wenig mit der inneren Organisation des subjektiven Erlebens zu tun haben.
Wenn z. B. die Meta-Programme zur Vorhersage des menschlichen Verhaltens dienen sollen, aber gleichzeitig kontextabhängig sind, dann ist das so, als ob man sagt: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.“
Oder man bräuchte Meta-Meta-Programme, die bestimmen, wann jemand ein bestimmtes Meta-Programm wie benutzt.
Was bedeutet es, dass z. B. das Meta-Programm Primary Interest Sort statistisch nicht nachgewiesen werden kann? (vgl. Grochowiak, Das NLP-Master-Handbuch, S. 200 ff.)
Natürlich muss jedes Verhalten und jedes Erleben in uns irgendwie zustande kommen, aber heißt das, dass wir dafür ein Programm haben?
Diese Frage erinnert an die alte Debatte über den Begriff der „Fähigkeit“ in der Psychologie. Bekommen wir automatisch eine neue Fähigkeit, wenn jemand unser Verhalten neu kategorisiert? Haben wir z. B. die Fähigkeit der Andacht oder Frömmigkeit, auch wenn es in unserer Sprache die Worte gar nicht gibt? Oder sind diese Bezeichnungen eher mögliche Klassifikationen des seelischen Erlebens, denen aber weder eine Fähigkeit noch ein Programm entspricht?
Wir können Frömmigkeit z. B. auch als eine emergente Eigenschaft des psychischen Apparats oder des Nervensystems auffassen.
Die Frage, ob es so etwas wie Meta-Programme gibt, ist also vergleichbar mit der Frage, ob es Schizophrenie gibt. Bisher wurde von Seiten des NLP immer argumentiert, dass Ausdrücke wie Schizophrenie oder Depression eine Nominalisierung darstellen, die aus einem Klassifikationsbegriff ein „Etwas“ macht, was auch unabhängig von diesem Begriff eine Realität hat. Wie z. B. eine Blinddarmentzündung; diese könnten wir auch anders nennen, aber das würde an der Realität auf der Ebene des Gewebes nichts ändern. Wenn wir aber den Ausdruck „er hat Schizophrenie“ ähnlich verstehen, wie „er hat eine Lungenentzündung“ dann macht es natürlich Sinn, nach genetischen oder stoffwechselmäßigen Ursachen zu fanden.
Handelt es sich allerdings um ein dormative principle, dann haben wir solche Konstruktionen im NLP bisher immer für entbehrlich gehalten.
So gesehen stellt sich die Frage, ob das Konzept der Meta-Programme in das konzeptionelle Framework des NLP überhaupt integrierbar ist. Oder ist es nicht vielmehr ein sehr unübersichtliches Klassifikations-Sammelsurium ohne einen vereinheitlichenden Gesichtspunkt?
Von einem vereinheitlichenden Gesichtspunkt könnten wir z. B. bei den 12 Tierkreiszeichen in der Astrologie, den verschiedenen Hirnstrukturen im Struktogramm oder im Hemisphären-Dominanz-Modell sprechen.
Andererseits ist klar, dass all diese Unterscheidungen Beobachtungen ermöglichen, die dann wiederum zu einem Verhalten führen können, welches sinnvoll, aber ohne die Unterscheidungen nicht möglich gewesen wäre. Z. B das Pacen von Meta-Programmen in Fragen, bzw. das Pacen von Meta-Programmen beim Geben von Arbeitsanweisungen usw. Diese Unterscheidungen können also dazu dienen, unser kommunikatives Verhalten genauer zu kalibrieren. Sie können uns aber auch dazu verhelfen, uns selbst zu beobachten, wo wir in unseren Wahrnehmungen und unserem Erleben und Entscheiden Einseitigkeiten wahrnehmen können, um diese dann bei Bedarf korrigieren zu können.
Diese Sicht der Meta-Programme scheint mir sinnvoller als so zu tun, als ob wir mit dieser Konzeption eine Tiefendimension des seelischen Geschehens entdeckt hätten, vergleichbar mit dem Unbewussten.
Meta-Programme scheinen mir Beobachterkategorien zu sein im Gegensatz zu Systemkategorien. Sie sagen mehr über den Beobachter aus als über das beobachtete System.
Ähnlich wie der Begriff des Zwecks in der Biologie eine Beobachterkategorie und nicht eine Systemkategorie darstellt. Zu sagen, dass ein Weibchen einen bestimmten Duftstoff absondert, „damit“ das Männchen angelockt wird, unterstellt dem evolutionären Geschehen eine Zweckhaftigkeit, die auf der Ebene von spontaner Mutation und Selektion nicht anzutreffen ist.
Oder die Vorstellung der Informationsübertragung in der menschlichen Kommunikation tut so, als ob die Schallwellen irgendwie noch „Informationen“ transportieren würden. Tatsächlich ist es aber so, dass die Schallwellen das Trommelfell perpetuieren und dann im Inneren des Hörers Bedeutung entsteht. Die Formulierung: „Er hat sie gut informiert“ ist ebenfalls in diesem Sinne eine Beobachterkategorie und nicht eine Systemkategorie. Und obwohl die Idee der strukturellen Kopplung autopoietischer Systeme seit den 70er- Jahren im Gespräch ist, werden wir wohl bis auf Weiteres dabei bleiben, Kommunikationsprozesse mithilfe von Beobachterkategorien zu beschreiben.
Beobachterkategorien sind also etwas völlig Legitimes und Unentbehrliches, es ist nur wichtig, dass man als Kommunikations-Profi weiß, was man tut, wenn man solche Konzepte benutzt.
Mit Korzybski könnten wir sagen nicht nur sagen: „The map is not the territory“, wir müssen auch mit ihm darauf bestehen, dass wir wissen, auf welchem Abstraktionsniveau wir uns gerade befinden.
Meta-Programme als Reflexionsbestimmungen
Wie haben die Meta-Programme bisher als Beobachterkategorien bestimmt. Wir können den genauen Charakter dieser Kategorien noch näher bestimmen, indem wir sie als Reflexionsbestimmungen oder Reflexionsbegriffe auffassen. Reflexionsbestimmungen haben als Gegensatz den Begriff der Seinsbestimmungen oder einfacher gesagt der Eigenschaftsbegriffe.
Reflexionsbegriffe sind solche, die wir als Beobachter an das zu beobachtende Objekt bzw. einen Sachverhalt herantragen, sie sind also im weitesten Sinne von dem Standpunkt abhängig, von dem aus der Beobachter beschreibt. Im Gegensatz dazu sind Seinsbestimmungen solche, die eine tatsächliche Eigenschaft bestimmen. So kann man von einem Menschen z. B. sagen, dass er 1,70 m groß ist. Diese Behauptung kann entweder wahr oder falsch sein. Man kann über denselben Menschen auch sagen, dass er attraktiv ist. Allerdings sagt diese Bestimmung etwas über den aus, der diesen
Menschen als attraktiv empfindet. Daher macht es auch keinen Sinn zu fragen, ob diese Behauptung wahr ist. Jeder andere kann mit gleichem Recht das Gegenteil behaupten.
Den besonderen Charakter, dass in der Ansetzung des Begriffs sich die Position des Setzenden widerspiegelt, hat Hegel treffend in der Unterscheidung von Reflexionsbestimmungen und Seinsbestimmungen festgehalten. Ob ich etwas als einen Baum identifiziere, ist von meinem Standpunkt vollkommen unabhängig, ob ich ihn allerdings als groß oder klein, schön oder hässlich, nah oder fern bestimme, nicht.
Reflexionsbestimmungen also tragen aufgrund ihrer Standpunktvarianz immer ein relatives Moment in sich, ja sie lassen sich generell als Prädikationen begreifen, die implizit immer ihr eigenes Gegenteil transportieren, die sich sinnvoll nur aussagen lassen auf dem Hintergrund ihrer eigenen Negation: Was „groß“ ist, kann ich nur so benennen, wenn ich weiß, was „klein“ bedeutet, usw. D. h., der Sinn und Gehalt eines Reflexionsbegriffes verdankt sich per se der Doppelung von Position und Negation, genauer, er erwächst nicht in der Identität des Begriffs, sondern in der Differenz des Begriffs zu sich selbst. Begriffsbestimmend wird hier die Unterscheidung und der Unterschied, der positive Sinn knüpft sich an das höchst schwierig zu fassende Ereignis der Differenzierung, an die nicht mehr positiv zu beschreibende difference (Derrida), und die „Information lässt sich definieren als ein Unterschied, der einen Unterschied macht.“ (Bateson).
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz an einige Bemerkungen von Bateson erinnern. Er schreibt bekanntlich, dass Adjektive, wie „ehrlich“, „freundlich“, „launisch“ usw. eher etwas über denjenigen aussagen, der diese Charakterisierung ausspricht, als über den Charakterisierten.
Reflexionsbegriffe bestimmen immer eine Differenz (intern-extern, Überblick-Detail usw.), die der Beobachter braucht, um überhaupt etwas beobachten zu können, und sie sind in diesem Sinne natürlich auch ein Wahrnehmungsfilter, der dafür sorgt, dass wir auf vieles nicht achten, weil es außerhalb der jeweiligen Differenz liegt.
Aber mehr noch, um einen Reflexionsbegriff in seiner ganzen Operativität nutzen zu können, müssen wir streng genommen immer die inverse Beschreibung mitliefern.
Beispiel: Klaus will sich eine Stereoanlage kaufen und fragt einen Freund, der ein Experte für HI-FI Anlagen ist, welche er ihm empfehlen würde, wenn er nicht mehr als 10.000 € ausgeben möchte.
Jeder geübte NLP’ler würde hier davon sprechen, dass Klaus eine externe Referenz genutzt hat. Gleichzeitig könnte man ihn aber auch fragen, warum er gerade diesen Menschen als externe Referenz genutzt hat. Er würde vielleicht äußern, dass er ihn für besonders glaubwürdig und unabhängig hält. Dann hat er aber eine interne Referenz genutzt, um seine externe Referenz auszuwählen.
Wenn dieser Freund ihm nun vier verschiedene Anlagen vorschlägt und er dann nach seiner internen ästhetischen Referenz eine davon aussucht, dann stellt sich die Reihenfolge der Meta-Programme wie folgt dar:
Interne Referenz externe Referenz interne Referenz
Es scheint also eine Frage der Interpunktion – wo setzte ich den Anfang meiner Beobachtung – zu sein, ob ich hier von der Nutzung interner oder externer Referenz spreche.
Oder nehmen wir das Beispiel Motivation. Wir fragen jemand, was ihm bei seiner Berufswahl besonders wichtig ist, und er antwortet: „Ich will viel Geld verdienen.“ Dies sieht doch sehr nach einer Hin-zu-Motivation aus. Frage ich ihn jetzt weiter, warum ihm viel Geld zu verdienen so wichtig ist, dann antwortet er: „Ich komme aus einer sehr armen Familie, und bei uns gab es ständig Streit und Probleme wegen Geld. Ich will das auf gar keinen Fall noch mal erleben.“
Nun, das klingt sehr nach weg-von. Das gleiche könnten wir ganz leicht beim umgekehrten Fall machen.
Es ist daher eine gute Übung, die Teilnehmer eines NLP-Kurses zu bitten, diese Übung bei jedem beliebigen Meta-Programm zu wiederholen.
Stellen wir uns vor, jemand ist irgendwo zu Besuch. Es gibt Erdbeerkuchen. Jeder hatte schon ein Stück und eines ist noch übrig. Unser Klient hat Appetit auf dieses Stück und nimmt es sich kommentarlos. Wir könnten dies so beobachten, dass er das Meta- Programm „sorting-by-self“ genutzt hat. Er hätte auch fragen können, ob noch jemand anders Appetit hat, und wenn ja wäre er bereit gewesen, es dieser Person zu überlassen. Wir würden dann von „sorting-by-others“ sprechen.
Wir könnten ihn aber auch fragen, ob er sich genauso verhalten hätte, wenn er bei seinem zukünftigen Chef zu Besuch gewesen wäre. Würde er dann sagen: „Nein, auf keinen Fall.“ Dann hängt sein „sorting-by-self“ offensichtlich davon ab, dass er als erstes „sorting-by-others“ genutzt hat.
Ein anderer Beobachter würde vielleicht von vornherein das Zugreifen als einen Ausdruck seiner Einschätzung von Statusaspekten beobachten. Und niemand kann sich dagegen wehren, auf eine bestimmte Art und Weise von jemand beobachtet zu werden; allerdings kann jeder die Art und Weise wie er beobachtet wird, selbst beobachten und sich als angemessen oder unangemessen beobachtet fühlen.
Ein Exorzist beobachtet z. B. das Verhalten eines Menschen unter der Differenz besessen – nicht besessen. Diese Differenz würden heutzutage die meisten Menschen in Europa ablehnen.
Aus all dem ergibt sich, dass wir für die Begründung der Nutzung eines Reflexionsbegriffs implizit immer schon ein weiteres Begriffspaar nutzen, nämlich relevant-irrelevant.
Was wir aber für relevant halten, kann jemand anderes mit guten Gründen für irrelevant halten. So nutzt z. B. Steve deShazer die Frage nach Ausnahmen vom
Symptomverhalten als zentrale Beobachtungskategorie und versucht auch seine Klienten dazu zu bringen, auf diese Ausnahmen zu fokussieren und mehr davon zu machen. Dafür hält er die Glaubenssätze u. Ä. für irrelevant. Im NLP ist es genau umgekehrt.
Nichts ist an sich relevant oder irrelevant, es hängt von unseren theoretischen und praktischen Vorüberlegungen ab, ob wir etwas für relevant halten oder nicht.
Damit eröffnet sich aber sofort ein neues reflexionales Feld, nämlich das von Grund und Begründetem. Auf die Frage: „Warum nutzt du gerade diese Beobachtungskategorie?“, gibt jede Therapierichtung ihre jeweiligen Gründe an. Diese können aber selbst mit gutem Grund befragt werden, welche Gründe es gibt, gerade diese Kriterien zu nutzen und nicht andere. So wird der Grund selbst wieder zu etwas Begründetem.
Und der Verweis, dass sich diese Vorgehensweise praktisch bewährt hat, kann aber von vielen anderen Methoden mit gleichem Recht behauptet werden, die ganz andere Beobachtungskategorien nutzen.
Grund und Begründetes stehen also, wie alle Reflexionsbegriffe, in einem gegenseitigen Begründungsverhältnis. Auch hierauf hat bereits Bateson hingewiesen.
Stellen wir uns ein Ehepaar vor. Der Mann ist mit der Beziehung unzufrieden, weil seine Frau nicht mehr so oft Lust auf Sex hat wie früher. Sie sagt, dass sie nicht mehr so viel Lust hat, weil sie spürt, dass ihr Mann unzufrieden ist, und sich dementsprechend verhält. Was ist Ursache und was ist Wirkung? Was begründet was?
Die Thematisierung der Meta-Programme als Reflexionsbestimmungen hat auch den Vorteil, dass wir den so Beschriebenen nicht in eine Schublade stecken, sondern ihm neue Wahlmöglichkeiten für die Selbstbeobachtung eröffnen.
Und gleichzeitig verhindern wir damit, dass wir diese Begriffe verdinglichen. Wie können diese Operation auch als eine Form der Entnominalisierung betrachten und stehen damit in der guten Tradition des NLP, Prozesse als Prozesse zu beschreiben.
Klaus Grochowiak
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(Juli 2011)