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Fritz Perls, Begründer der Gestalttherapie

Fritz Perls – Der Begründer der Gestalttherapie und sein Einfluss auf das NLP

Fritz Perls (1893–1970) war einer der führenden Köpfe der humanistischen Psychotherapie und Begründer der Gestalttherapie, die er gemeinsam mit seiner Frau Laura Perls und dem Sozialphilosophen Paul Goodman entwickelte. Sein revolutionärer Ansatz kombinierte Elemente aus der Psychoanalyse, dem Existenzialismus, der Phänomenologie und dem Körperbewusstsein. Die Gestalttherapie gilt als eine der einflussreichsten psychotherapeutischen Schulen des 20. Jahrhunderts und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP).

Perls‘ Ansatz unterschied sich deutlich von der klassischen Psychoanalyse: Während Sigmund Freud die Vergangenheit analysierte, um gegenwärtige Probleme zu verstehen, betonte Perls radikal das Hier und Jetzt.

Veränderung geschieht nicht durch das Verstehen der Vergangenheit, sondern durch die volle Bewusstheit des aktuellen Moments. Diese Grundhaltung floss direkt in viele NLP-Techniken ein, insbesondere in die Arbeit mit Wahrnehmung, Achtsamkeit und Selbstverantwortung.

Die Kernprinzipien der Gestalttherapie

1. Bewusstheit und Achtsamkeit („Awareness“) als Schlüssel zur Veränderung

Perls war überzeugt, dass viele psychische Probleme entstehen, weil Menschen sich von ihren echten Gefühlen und Erlebnissen entfremden. Sie sind entweder in der Vergangenheit verhaftet oder sorgen sich um die Zukunft – statt den gegenwärtigen Moment bewusst zu erleben.

• In der Gestalttherapie werden Klienten ermutigt, sich auf ihr unmittelbares Erleben zu konzentrieren.

• Anstatt zu analysieren, was schiefgelaufen ist, fragt der Therapeut: „Was fühlst du JETZT? Was geschieht in diesem Moment?“

• Durch diese radikale Fokussierung auf die Gegenwart sollen unterdrückte Emotionen wieder spürbar werden, so dass Heilung geschehen kann.

2. Das Prinzip der Ganzheit („Gestalt schließen“) – Unvollendete Prozesse beenden

Der Begriff „Gestalt“ bezieht sich auf ein psychologisches Prinzip: Menschen neigen dazu, Dinge ganzheitlichwahrzunehmen. Probleme entstehen oft, weil bestimmte Erfahrungen nicht abgeschlossen wurden – sie sind wie eine offene Schleife, die immer wieder im Hintergrund mitläuft.

• Gestalttherapie hilft Menschen, solche „offenen Gestalten“ zu schließen.

• Ein Beispiel: Jemand hatte als Kind ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, das nie erfüllt wurde. Im Erwachsenenalter zeigt sich dieses unerfüllte Bedürfnis als Unsicherheit oder übermäßiges Streben nach Bestätigung.

• In der Therapie wird diese „offene Gestalt“ bewusst gemacht und auf eine Weise abgeschlossen, die emotional heilt.

3. Eigenverantwortung statt Opferrolle

Perls vertrat eine provokative, aber zutiefst befreiende These: Niemand macht uns wütend, traurig oder glücklich – wir erzeugen unsere Emotionen selbst.

• Statt äußeren Umständen oder anderen Menschen die Schuld für Gefühle zu geben, lehrt die Gestalttherapie, dass wir selbst für unsere Reaktionen verantwortlich sind.

• Dieser Ansatz ist auch ein zentraler Bestandteil des NLP. Im NLP geht es darum, wie Menschen ihre Wahrnehmung so verändern können, dass sie ihre innere Welt aktiv gestalten.

4. Das Prinzip der Polaritäten – Alle Seiten einer Person integrieren

Jeder Mensch trägt innere Widersprüche in sich:

• Die Seite, die mutig ist, und die Seite, die Angst hat.

• Die Seite, die leistungsorientiert ist, und die Seite, die sich nach Ruhe sehnt.

Oft identifizieren wir uns nur mit einer dieser Seiten und unterdrücken die andere. Perls betonte, dass wahre Heilung erst geschieht, wenn beide Seiten anerkannt und integriert werden.

Im NLP wird dieser Ansatz in Techniken wie dem  aufgegriffen, bei dem scheinbar gegensätzliche Persönlichkeitsanteile miteinander in Einklang gebracht werden.

5. Direktes Erleben statt intellektuelle Analyse

Perls kritisierte klassische Gesprächstherapien als zu kopflastig. In der Gestalttherapie geht es nicht darum, stundenlang über Probleme zu reden, sondern sie direkt zu fühlen, auszudrücken und zu erleben.

• Eine bekannte Technik ist der „Leere Stuhl“:

• Eine Person setzt sich auf einen Stuhl und stellt sich vor, dass dort jemand sitzt, mit dem sie einen ungelösten Konflikt hat (z. B. ein Elternteil).

• Sie spricht direkt mit der imaginären Person und kann dann auch die Perspektive wechseln, indem sie sich auf den anderen Stuhl setzt.

• Diese Methode ermöglicht es, Emotionen direkt zu durchleben, anstatt sie nur abstrakt zu analysieren.

Viele NLP-Formate, insbesondere solche, die mit Inneren Dialogen oder der Teile-Arbeit arbeiten, sind direkt von dieser Technik inspiriert.

Fritz Perls’ Einfluss auf das NLP

Richard Bandler und John Grinder studierten die Arbeit von Fritz Perls intensiv und adaptierten viele seiner Prinzipien in das NLP. Besonders beeinflusst hat er:

Das Meta-Modell der Sprache – Seine präzise Art, Sprache zu hinterfragen, um versteckte Bedeutungen aufzudecken, floss in die NLP-Techniken zur Sprachmodellierung ein.

Achtsamkeit und Wahrnehmungsschulung – Sein radikaler Fokus auf das Hier und Jetzt inspirierte viele NLP-Techniken, die mit dem bewussten Erleben und der Steuerung von Wahrnehmung arbeiten.

Reframing-Techniken – Die Idee, eine Situation aus einer neuen Perspektive zu betrachten und ihr eine neue Bedeutung zu geben, wurde vom NLP weiterentwickelt.

Körperorientierte Arbeit – NLP nutzt viele somatische Ansätze, die an Perls‘ körperzentrierte Arbeit erinnern.

Provokative Interventionen – Perls war für seinen direkten, manchmal konfrontativen Stil bekannt. Diese Art von herausfordernder Gesprächsführung beeinflusste spätere NLP-Coaches wie Richard Bandler.

Fazit: Fritz Perls als Brücke zwischen Therapie und NLP

Fritz Perls war ein radikaler Denker, der mit vielen therapeutischen Traditionen brach. Statt Vergangenheit und Probleme zu analysieren, forderte er seine Klienten dazu auf, sich dem gegenwärtigen Moment zu stellen und durch direkte Erfahrung zur Lösung zu gelangen.

Seine Arbeit war nicht nur für die Gestalttherapie bahnbrechend, sondern prägte auch zentrale Konzepte des NLP. Das Bewusstsein für Wahrnehmung, die Eigenverantwortung für das eigene Erleben und die Integration widersprüchlicher Anteile sind essenzielle Bestandteile beider Disziplinen.

Wer NLP versteht, erkennt schnell, wie viel von Perls‘ Arbeit darin steckt – und warum sein Ansatz nach wie vor ein kraftvolles Werkzeug für persönliche Veränderung ist.

Verwandte Begriffe:

  • Milton Erickson

  • Virginia Satir

  • Richard Bandler

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